Experte: Ukrainekrise verschärft orthodoxen Kirchenkonflikt
Die russische Eskalation in der Ukraine-Krise droht auch den orthodoxen Kirchenkonflikt um die Ukraine weiter zu verschärfen. Davon geht der Ostkirchen-Experter Dietmar Winkler aus. Die bereits bestehenden Wunden "werden sicher noch vertieft", sagte der an der Universität Salzburg lehrende Theologe in der Ö1-Sendung "Religion aktuell" (Dienstagabend). Auch wenn es in den letzten Jahren Hoffnung gegeben hätte, dass der Kirchenkonflikt geheilt wird: "Jetzt wird sicher noch mehr zerschlagen, und es wird noch länger dauern, bis es hier eine Versöhnung zwischen der russischen und der ukrainischen Kirche geben wird", so Winkler.
Der Experte widersprach auch jüngsten Aussagen des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Dieser hatte in seiner Rede, in der er am Montagabend die "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk per Dekret als unabhängige Staaten anerkannt und die Entsendung russischer Truppen ankündigte, auch den Schutz orthodoxer Christen des Moskauer Patriarchats in der Ukraine als Argument für das russische Vorgehen angeführt. Es würden "weiter Gewaltakte" gegen die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats vorbereitet, warf Putin Kiew vor.
In dem Konflikt zwischen den beiden Kirchen "gibt es sicher Disharmonien, das ist gar keine Frage", ordnete Ostkirchenexperte Winkler die Situation ein. Von einer Verfolgung von russischen Orthodoxen könne jedoch keine Rede sein, ein solcher Begriff sei völlig überzogen, so der Theologe.
In der Ukraine konkurrieren die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) und die autokephale (eigenständige) "Orthodoxen Kirche der Ukraine" (OKU) um die rund 60 Prozent der 45 Millionen Ukrainer, die sich zum orthodoxen Christentum bekennen.
Zur OKU schlossen sich rund um den Jahreswechsel 2018/2019 das 1992 nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine entstandene Kiewer Patriarchat und eine kleinere Kirche zusammen, die sich bereits ein Jahrhundert zuvor vom russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespalten hatte. Das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, überreichte der neuen Kirche das Dekret über ihre Autokephalie (Tomos). Diese wird von der Russisch-Orthodoxen Kirche aber nicht anerkannt, was in der Folge auch zum Bruch zwischen Konstantinopel und Moskau führte, mit schwerwiegenden Auswirkungen auf die Weltorthodoxie.
Quelle: kathpress