Lobau-Konflikt: Breite Allianz fordert "Weg des Dialogs" ein
Im Konflikt um die Wiener Lobau und den Straßenausbau hat sich jetzt eine breite Allianz in einem offenen Brief an die Wiener Stadtregierung gewandt. Darin forderten am Mittwoch 28 Persönlichkeiten und Organisationen aus Kirchen - u.a. Jugendbischof Stephan Turnovszky und der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic -, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft eine Kompromisslösung im Streit um eine nachhaltige Verkehrspolitik. Das Bündnis rief dazu auf, gegenüber der Klimaschutzbewegung der jungen Generation "den Weg des Dialogs" einzuschlagen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Mit einer "sachgemäßen Änderung des Straßenbauprojekts" solle ein ermutigendes Signal einer lern- und zukunftsfähigen Politik gesetzt werden, das weit über Wien hinaus ausstrahlen würde.
In der Liste der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner finden sich u.a. Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich, Markus Gerhartinger als Vertreter der katholischen und evangelischen Umweltbeauftragten, Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher, Politikwissenschaftler Ulrich Brand, Verkehrsplanung-Experte Guenter Emberger, Meteorologe Herbert Formayer, die Schriftsteller Barbara Frischmuth und Karl-Markus Gauß sowie der Österreichische Biodiversitätsrat.
Adressiert war ihr Schreiben an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und Stadträtin Ulrike Sima. Die Unterzeichnenden gaben zu bedenken, dass der geplante Bau der Lobau-Autobahn und die damit zusammenhängenden Straßenprojekte im Kontext des Klimanotstands zu einem Symbol für eine entscheidende Weichenstellung geworden seien - "für eine Politik des Weiter-So oder des disruptiven transformativen Wandels".
Erschüttert und solidarisch
Die Bilder und Nachrichten von der polizeilichen Räumung der besetzten Baustelle der geplanten vierspurigen Stadtstraße in Wien-Hirschstetten am 1. Februar hätten "erschüttert", so die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. "Wir erklären unsere Solidarität mit den jungen Klimaschützerinnen und Klimaschützern, die sich anhand des Straßenbaugroßprojekts vor dem Hintergrund des Klimanotstands geradezu mit dem Mut der Verzweiflung für die dringend notwendige Mobilitätswende engagieren."
Deren persönlicher Einsatz für Nachhaltigkeit und Klimaneutralität wird in dem offenen Brief ausdrücklich gewürdigt. Den Baustellenbesetzern gebühre Dank dafür, das öffentliche Bewusstsein geschärft zu haben.
Klimamusterstadt Wien
Die Allianz zeigte sich um alternative Lösungen bemüht: "Wir können nicht glauben, dass die Stadt Wien, die zur Klimamusterstadt werden will, mit gutem Willen keine alternativen Lösungen für die geplanten Straßenbauprojekte in der Donaustadt finden kann, die die neuen, geänderten Umstände berücksichtigen", hieß es im offenen Brief weiter. Diese seien vor allem die Dringlichkeit der Klimakrise und die Notwendigkeit eines transformativen Wandels gerade in den Bereichen Verkehr, Artenschutz und Flächenverbrauch.
"Anstatt ein überholtes Konzept mit der Brechstange durchzusetzen, muss es doch möglich sein, in Zusammenarbeit mit der Verkehrswissenschaft einen neuen Anlauf zu nehmen und eine Verkehrslösung zu entwickeln." Dabei sollen die neuen Klimaziele, auf die sich die Stadt Wien selbst verpflichtet hat, ernst genommen werden. Konkret genannt wurden die Ziele, dass bis 2030 in Wien statt 27 Prozent nur mehr 15 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden und Wien bis 2040 klimaneutral ist.
Die Initiative will nicht glauben, dass kein Kompromiss möglich sei. "Kompromisse sind für das soziale Leben unverzichtbar und gehören essenziell zur Demokratie", unterstrichen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. Eine Kursänderung sei keine Kapitulation, sondern "ein Zeichen von Stärke und Größe, mit der die Stadtregierung das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit ihrer Klimapolitik zurückgewinnen könnte", betonte die Initiative.
Kirchliche Unterstützung für die Anliegen der Baustellenbesetzer hatte es in den vergangenen Monaten mehrfach gegeben, u.a. in Form einer "multireligiösen Lichtfeier" mit Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen oder durch Solidarisierungsbekundungen etwa durch die Katholische Aktion Wien, den Steyler Missionar P. Franz Helm oder den Religionswissenschaftler Ernst Fürlinger.
Quelle: kathpress