Synodaler Prozess in Graz-Seckau: Thema Ausgrenzung durch Kirche
Die Diözese Graz-Seckau hat im Zuge des vom Papst ausgerufenen weltweiten synodalen Prozesses die Steirerinnen und Steirer zu ihren Anliegen befragt - und knapp 1800 Personen haben in den vergangenen Monaten mitgemacht. Über die Ergebnisse informierten Bischof Wilhelm Krautwaschl, Diözesanrat-Vorsitzende Gerlinde Paar und Stefanie Schwarzl-Ranz vom "Koordinationsteam Synode 2023" am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Graz. Ein Thema sei besonders brisant gewesen: Jenes der "Ausgrenzung durch die Kirche", mit vorwiegend "queeren" Personen sowie Frauen als Betroffene, aber auch jungen Menschen sowie Wiederverheirateten.
Die Ergebnisse der bis 9. Jänner laufenden Befragung werden im Sommer mit jenen der anderen österreichischen Diözesen zusammengeführt und zuletzt bei der Bischofssynode 2023 im Vatikan beraten. "Wir wurden vom Synodensekretariat des Vatikans gebeten, unsere Ergebnisse nicht zu glätten, sondern die Meinungen des Volkes Gottes weiterzugeben", versprach Bischof Krautwaschl laut einer Aussendung am Mittwoch "maximale Transparenz".
Die Anliegen an die Kirche zu hören, ist für den Bischof "extrem wichtig, damit wir unser Zukunftsbild weiterentwickeln können". Er sehe sich darin bestärkt, die Vermittlung der Frohen Botschaft, des Evangeliums, als "unsere Kernaufgabe" zu betrachten, "wie auch immer das passiert". Deshalb werde nun vorrangig an jenen Themen weitergearbeitet, die man in der Diözese Graz-Seckau abwickeln könne. Komplexe Bereiche wie die Weihe von Frauen oder der Umgang mit der Geschlechtervielfalt seien auf diözesaner Ebene kaum lösbar, die Beteiligung aller Gläubigen hingegen könne in den steirischen Seelsorgeräumen aber sehr wohl angegangen werden, meinte auch Diözesanrat-Vorsitzende Paar.
Zurück zu den Zahlen und Ergebnissen: An der Befragung durch die Diözese Graz-Seckau nahmen 1532 Menschen per Online-Fragebogen für Einzelpersonen, 235 Personen in 21 Gruppenkonsultationen sowie 22 Personen in qualitativen Tiefeninterviews teil, informierte Koordinatorin Schwarzl-Ranz. Darunter seien auch Kirchenkritische und aus der Kirche Ausgetretene gewesen, Jugendliche und junge Erwachsene, Menschen in sozial schwieriger Situation, Jungfamilien sowie Personen mit Migrationshintergrund. Ergänzt wurden die Daten mit weiteren Positionierungen etwa aus dem Zukunftsbild der Diözese sowie aus Pastoralplänen, sagte Schwarzl-Ranz.
Zu dem Bündel an Ergebnissen fand am 5. Februar eine vorsynodale Online-Versammlung mit 120 Teilnehmenden statt; im Sommer würden sie mit jenen der anderen österreichischen Diözesen zusammengeführt und zuletzt bei der Bischofssynode 2023 im Vatikan beraten, hieß es zum Prozedere. Papst Franziskus hatte den synodalen Prozess 2021 mit dem Ziel gestartet, Kirche als "gemeinsamen Weg" aller Getauften bewusst zu machen.
Breite Themenpalette
Bei der Befragung waren laut Diözesanaussendung acht Themenkreise zentral: Synodalität als gemeinsames Voranschreiten aller Getauften, die Aufgabe der Kirche heute, die Rolle der Kirche angesichts gegenwärtiger Spaltungstendenzen, die Formen der Beteiligung, die Ausgrenzung mancher Gruppen, die Rolle der Frauen, die Rolle der Priester und das zeitgemäße Feiern. "Bei allen Themen wurden unterschiedliche Standpunkte deutlich", erklärte Schwarzl-Ranz. Im Zwiespalt zwischen bewahrenden und fortschreitenden Kräften zu agieren, sei die größte Herausforderung für die Kirche.
Ein Topthema dabei: Ungefähr die Hälfte der Interviewten habe thematisiert, dass "Queers", also im Widerspruch zur katholischen Sexualmoral und zum binären Menschenbild lebende Personen "von der Kirche außen vor gelassen" würden.
Dass sich die Kirche gesellschaftlich klar positioniert bzw. einen Beitrag zur Lösung von Konflikten und Spannungen leistet, werde von den Befragten wenig gesehen - oder kritisch betrachtet. "Solange die Kirche sagt, was auch meine Meinung ist, passt es. Wenn nicht, dann trete ich eben aus", umschrieb Bischof Krautwaschl eine verbreitete Haltung auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Überdies würden gesellschaftliche Positionierungen der Kirche z. B. zur Abtreibung oder zum assistierten Suizid teilweise als nicht zeitgemäß erlebt, weil man "zu sehr an der Bibel klebt" oder zu wenig auf die "normalen Menschen" im Alltag höre. Krautwaschl: "Hier braucht es weitere Gespräche, um nicht aneinander vorbeizureden."
Gleichberechtigung, Ökologie, Migration
Wichtig sei vielen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, das Lösen von ökologischen Fragen, soziale Gerechtigkeit und damit verbundene wirtschaftliche Herausforderungen sowie Migration. Als zentrale Sendung der Kirche sei die Glaubensvermittlung gesehen worden: "Die Menschen hungern nach Spiritualität. Die Kirche hat so viel zu bieten für alle, die sich die Sinnfrage stellen oder Hoffnung suchen", hieß es in einem Statement. Da sei ein aktiveres Zugehen auf die Menschen gefragt, so die Kirchenverantwortlichen.
Den Teilnehmenden sei bewusst, dass die Zukunft der Kirche bei den jungen Menschen liegt; doch ein klares "Rezept" zu deren Einbindung und Begeisterung in einer kurzlebigen, auf Events fokussierten Zeit gebe es nicht. Als ein Weg wurden zeitgemäße Gottesdienste genannt, ebenso ein vorbildhaftes, evangeliumsgemäßes Leben.
Hinsichtlich ihrer Offenheit für Anliegen und Probleme der Menschen bekam die Kirche von den befragten Steirern mit 4,3 von zehn Punkten ein nur mäßiges Zeugnis. Damit verbunden auch der Wunsch nach mehr Beteiligung - durch Versammlungen, persönliche Kontakte sowie Formen der Bürgerbeteiligung und Online-Umfragen. Letzteres werde von fast 50 Prozent der Teilnehmenden unter 35 Jahren gewünscht, teilte die Diözese mit. Lob gab es für die Arbeit der Caritas und für die kirchlichen Bildungseinrichtungen.
Quelle: kathpress