Mazal: Eltern brauchen flexiblere Arbeitszeitmodelle
Zusätzliche politische Maßnahmen für mehr Flexibilität und Familienfreundlichkeit in der Arbeitswelt hat am Donnerstagabend der Präsident des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF), Prof. Wolfgang Mazal, gefordert. Eltern bräuchten besonders zusätzliche Möglichkeiten, bei dringendem Bedarf ihre Arbeitszeit zu reduzieren - "wenn Kinder schulische Probleme haben, oder wenn Pflegetätigkeiten nötig sind", sagte der Wiener Arbeits-, Sozial- und Medizinrechtler, der seit Juni 2021 auch Präsident des Katholischen Laienrates ist. Auch den Rechtsanspruch auf gänzlicher Freistellung gelte es über die ein- bis zweiwöchige Pflegefreistellung hinaus auszuweiten, etwa bei Krankheit des Kindes oder Ausfall des betreuenden Partners.
Mazal äußerte sich beim Auftakt der "Familienpolitischen Gespräche" - einer von Familienministerin Susanne Raab initiierten Veranstaltungsreihe, mit der Themen aus dem im Vorjahr veröffentlichten 6. Österreichischen Familienbericht, der den Zeitraum von 2009 bis 2019 überblickt, präsentiert und diskutiert werden sollen. Der Wunsch von Eltern, mehr Zeit für die Familien zu haben, hat in den vergangenen Jahrzehnten noch weiter zugenommen, zitierte Mazal aus den Untersuchungsergebnissen, die Veränderungen durch die Corona-Pandemie noch nicht berücksichtigen. Konflikte bei der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie seien "sowohl bei Männern als auch bei Frauen deutlich größer geworden" und bei alleinerziehenden Müttern nach wie vor am höchsten.
Zunehmend unter Druck stünden jedoch vor allem die Väter, die heute weit eher als früher bereit seien, sich an der Kindererziehung zu beteiligen, dafür jedoch mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten benötigten. Wohl gab es in der Gesetzgebung zuletzt mehrere Maßnahmen, um Familien hier entgegenzukommen: Mazal verwies hier einerseits auf die Absicherung des Kindeswohls, die Ausweitung des Elternschutzes auf dienstnehmerähnliche freie Dienstnehmer sowie die Freistellung anlässlich der Geburt eines Kindes, den sogenannten "Papamonat". Bei diesem gebe es jedoch einen Wermutstropfen, sagte der Experte: "Viele Firmen sehen mit Gewährung des Papamonats die Vereinbarkeit bereits erfüllt - und gestatten dann keine Elternkarenz mehr."
Teilzeit kommt Familien entgegen
Dass in Österreich der Anteil der Teilzeitanstellungen gestiegen ist, begrüßte Mazal eindeutig als "großen Fortschritt" im Sinne der Vereinbarkeit und "Versöhnung" von Beruf und Familie - "denn die Alternative stellte bisher vor allem für Frauen das Fernbleiben von Erwerbsarbeit dar". Der Experte warnte jedoch davor, als Ziel die "Angleichung" der Arbeitswelt der Frauen an jene der Männer anzustreben, da dies "nicht human und zudem reproduktionsfeindlich" sei. Besser wären Maßnahmen, die bei Männern das Ausmaß der Erwerbsarbeit senken und jenes der Familienarbeit steigern.
In diesem Sinn gelte es laut Mazal die "Teilzeitkultur" noch weiter zu verbessern: Im Sinne der Frauen, die zu überwiegendem Maß selbst bei ausreichend Angebot für Kinderbetreuung Teilzeitmodelle bevorzugten, und auch der Männer, die Hilfen beim Umstieg von Vollzeit zu mehr Flexibilität bräuchten. "Für Familien wäre dies eine Erleichterung", so der Experte. Auch die Betriebe würden von Familienfreundlichkeit profitieren: "Als familienfreundlich zertifizierte Unternehmen haben 36 Prozent mehr Bewerbungen, um 13 Prozent weniger Fehlzeiten beim Personals, höhere Arbeitszufriedenheit und eine geringere Mitarbeiterfluktuation, was sich auch auf die Kundenzufriedenheit auswirkt", unterstrich Mazal.
Neues Führungsprofil entwickeln
Unverständnis signalisierte der Familienforscher über das Festhalten in Österreich an der Vorstellung, Männer müssten unbedingt "40+" Stunden arbeiten. In vielen anderen Ländern sei diese Haltung längst überwunden, selbst Führungspositionen seien dort in Teilzeit möglich. Mazal: "Wir müssen die job description ändern. Ist Teilzeitführung nicht möglich, so bedeutet dies, dass es besserer Organisation bedarf. Das würde auch den Führungskräften guttun und könnte ihren dritten Herzinfarkt verhindern." Setze sich das Bewusstsein durch, dass Führung auch in Teilzeitanstellung möglich ist, werde dies auch den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen anheben.
Der verwendete Familienbegriff sei ein "offener", unterstrich der Sozialrechtler: "Vater, Mutter und Kind gab es in der Familienforschung nie, denn dabei handelt es sich um eine Projektion, die wir von Hollywood bekommen haben. Die Realität war schon immer vielfältig und umfasste stets auch alle Formen des Patchworks." Zentral in der Familiengesetzgebung sei die Verantwortung gegenüber Kindern. Mazal: "Worum es geht, ist die Übernahme personaler Verantwortung gegenüber Kindern und einem Partner. Wenn der Gesetzgeber dabei hilft, ist dies eine äußerst positive Entwicklung."
Quelle: kathpress