Theologe: Kirche muss Haltung zu "Queers" grundlegend ändern
Die vom kirchlichen Lehramt gegen sexuelle Vielfalt verteidigte Schöpfungsordnung hat sich schon bei Galileis heliozentrischem Weltbild und bei Darwins Evolutionstheorie als überholbar herausgestellt - und wird sich auch beim Kampf gegen die "Gender-Ideologie" als revidierbedürftig herausstellen. Diese Prognose stellte der Wiener Moraltheologe Gerhard Marschütz in der Wochenzeitung "Furche" (Ausgabe 3. Februar) in einem Kommentar zur aktuellen "Queer-Debatte" unter dem Titel "Die Schöpfung ist vieldeutig". Die katholische Kirche müsse im Blick auf LGBTIQ+-Personen bzw. "Queers" ihre Geschlechteranthropologie grundlegend erneuern, betonte der Theologe.
Marschütz erinnerte daran, dass es die Vatikanische Bildungskongregation 2019 als "Kern der Schöpfung" bezeichnete, dass Gott den Menschen "als Mann und Frau erschuf" (Gen 1,27); folglich können laut der Glaubenskongregation (2021) gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht "auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt" und somit nicht gesegnet werden. Demgegenüber müsse sich eine Vieldeutigkeit nicht verbergende, "differenzierte Bibelauslegung" durchsetzen. Marschütz zog dazu folgenden Vergleich: Als Gott "das Licht von der Finsternis"(Gen 1,4) schied, schuf er auch den Übergang von Licht zu Finsternis und umgekehrt, also Abenddämmerung und Morgengrauen. "Wäre die Aussage, dass Gott den Menschen 'männlich und weiblich erschuf', nicht ebenso als Bezeichnung von Polen zu lesen, die alles dazwischen Existierende mit einbezieht, also auch sexuelle Minderheiten und minoritäre Geschlechter?"
Alle die gleiche Würde?
Diese Anerkennung fehle bisher in der katholischen Kirche, bedauerte der Theologe. "Queers" müssten sich sagen lassen, "ihre Existenz sei objektiv ungeordnet" und "wider das natürliche Gesetz". Spätmoderne Gesellschaften hätten in Abkehr von naturrechtlichen Prämissen gelernt, die allen Menschen gleichermaßen zukommende Würde nicht nur unabhängig von Geschlecht, Alter, Ethnie und Religion zu begreifen, sondern zudem unabhängig von sexueller Ausrichtung und geschlechtlicher Identität.
Mit dem Verweis auf den Philosophen Avishai Margalit beschrieb Marschütz eine "anständige Gesellschaft" als eine, "in der niemand herabgesetzt oder gedemütigt wird". Die katholische Kirche werde gegenüber LGBTIQ+-Personen nur dann eine anständige Gesellschaft sein können, wenn sie von der bisher behaupteten Eindeutigkeit, die "nicht zu retten" sei, abrückt. Der emeritierte Moraltheologe äußerte die Hoffnung, dass die Initiative "#OutInChurch" diese Erneuerung beschleunigt.
Marschütz nahm damit Bezug auf das "queere" Outing von 125 haupt-, ehrenamtlichen und ehemaligen Mitarbeitenden der katholischen Kirche in Deutschland, das inzwischen auch in Österreich zum Thema gemacht wurde: Ein positives Echo dazu kam von der Regenbogenpastoral, dem Forum Beziehung, Ehe und Familie der Katholischen Aktion, den Reformbewegungen "Pfarrer-Initiative", "Wir sind Kirche", "Laieninitiative" und "Priester ohne Amt" sowie von den Theologen Paul Zulehner und Gunda Werner.
Quelle: kathpress