Tück zum "Synodalen Weg": Auf Rede vom "Lehramt der Betroffenen" verzichten
Wenn ab Donnerstag der deutsche kirchliche Reformprozess "Synodaler Weg" zu seiner Dritten Synodalversammlung zusammentritt, wird dabei auch über ein Dokument verhandelt, in dem von einem "besonderen Lehramt der Betroffenen" die Rede ist. Darauf weist der Wiener Theologe Prof. Jan-Heiner Tück hin. Der Begriff wurde bereits im Rahmen der Zweiten Synodalversammlung im Oktober 2021 diskutiert und hat nun Eingang gefunden in den Grundlagentext zum Thema "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche". Möge die Formulierung auch prononciert den fälligen Paradigmenwechsel vom Täter- zum Opferschutz signalisieren, so sei sie doch problematisch und daher abzulehnen, da sie einer "Instrumentalisierung der Betroffenen" Vorschub leisten könnte, schreibt Tück in einem Gastbeitrag auf "katholisch.at".
Aufklärung von Missbrauch, Aufdeckung von Missbrauch begünstigenden Strukturen, eine Verurteilung der Täter, eine rasche Entschädigung und therapeutische Begleitung der Opfer - dies alles sei zweifellos höchst an der Zeit und kirchlich unabdingbar: "Der Anstoß, das Leiden der Betroffenen zu würdigen und alles zu tun, um künftig sexuellen oder geistlichen Missbrauch zu verhindern, kommt in der Rede vom besonderen Lehramt der Betroffenen treffend zum Ausdruck", so Tück. Problematisch werde es allerdings, wenn diese berechtigten Anliegen mit den Forderungen des Gesamtprozesses "Synodaler Weg" direkt verbunden würden:
"Was soll ein solches Lehramt im Blick auf die Synodalforen zu Macht und Gewaltenteilung, zur priesterlichen Existenz heute, zur Rolle der Frau in der Kirche und zur Erneuerung der Sexualmoral konkret bedeuten? Soll das Leiden der Opfer dafür herhalten, die Dispositive der Macht in der Kirche umzuschreiben, die Zulassungsbedingungen zum Amt zu lockern, Geschlechtergerechtigkeit zu fördern und die von vielen als rigide empfundene Sexualmoral zu liberalisieren?"
Er sehe daher mehrere Argumente, die dafür sprechen, auf den Begriff vom "Lehramt der Betroffenen" gerade "um der Opfer selbst willen" zu verzichten, so Tück: Zum einen stellten die Geschädigten keine homogene Größe dar. Auch sei es wohl anmaßend, "wenn einzelne Akteure meinen, im Namen der Betroffenen selbst sprechen zu können". Jede Stimme sei schließlich "unvertretbar". Die Opfer ließen sich daher auch nicht kollektiv vereinnahmen: Manche begrüßten Reformen, manchen sei die Kirche gleichgültig, wieder andere seien ausgetreten.
Wenn der Begriff "Lehramt der Betroffenen" daher als "Reformkatalysator" verwendet werde, bestehe die Gefahr einer "Reinszenierung des Missbrauchs", so Tück. Überdies könne der Verweis auf Leiden der Opfer auch als "Immunisierungsstrategie" eingesetzt werden: "Stimmen, die einzelne Reformvorschläge problematisieren oder das Projekt des Synodalen Weges als Ganzes in Frage stellen, werden dann als verblüffungsresistent oder leidunempfindlich hingestellt." Statt die Debatte unnötig emotional aufzuladen, wäre der anstehende Disput über Reformen der Kirche mit Sachargumenten zu führen.
(Volltext des "Stand.Punkt"-Beitrags von Jan-Heiner Tück auf "katholisch.at" unter: https://www.katholisch.at/standpunkt/tueck/synodaler-weg-lehramt-betroffene-missbrauch)
Quelle: kathpress