Klasnic: Opferschutzkommission "international beispielhaft"
Österreichs Katholische Kirche hat bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im eigenen Bereich einen Weg beschritten, der "international, vor allem auch in Deutschland, immer als beispielhaft dargestellt" wurde. Darauf hat die seit 2010 als Unabhängige Opferschutzanwältin tätige frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic hingewiesen. Auf Ersuchen von Kardinal Christoph Schönborn habe sie damals die Opferschutzkommission gebildet, nach einem - wie jetzt beim Münchner Missbrauchsgutachten - ebenfalls von Deutschland ausgegangenen Schwall an publik gewordenen "Altlasten", so Klasnic in der "Wiener Zeitung" (Wochenendausgabe).
Als die "Mauer des Schweigens 2010 durchbrochen" wurde, habe "die österreichische katholische Kirche im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland, Schweiz oder Frankreich gehandelt". Das jüngst in München publizierte, von der Erzdiözese München und Freising beauftragte Gutachten und die Diskussionen der vergangenen Tage hätten erneut "in erschütternder Weise schwere Verfehlungen der Vergangenheit im Umgang mit Missbrauch und Gewalt im Bereich der katholischen Kirche Deutschlands aufgezeigt", so Klasnic. Für die Weltkirche müssten sie "ein neuerlicher Alarm- und Weckruf zum konsequenten Handeln" sein.
Dass "jahrzehntelang vertuscht" wurde, statt sich der Betroffenen und deren "oft unvorstellbar schlimmer" Erlebnisse anzunehmen, sei leider auch in Österreich lange üblich gewesen. Das Vorgehen der "unter der Bedingung der völligen Unabhängigkeit" gegründete Opferschutzkommission ("Klasnic-Kommission"), für die Klasnic ehrenamtlich "so renommierte Persönlichkeiten wie Brigitte Bierlein, Reinhard Haller, Udo Jesionek, Caroline List, Ulla Konrad, Werner Leixnering und Kurt Scholz gewinnen konnte", sei Ausdruck eines "längst fälligen Paradigmenwechsels vom vermeintlich gebotenen Schutz der Institution Kirche zum Opferschutz, also zur Aufklärung und Betroffenenhilfe", gewesen.
Hunderte "zutiefst bewegende" Gespräche
Den genannten Fachleuten sei bei Beginn ihrer Tätigkeit nicht bewusst gewesen, welche Dimension diese Aufgabe annehmen würde, blickte die Opferschutzanwältin zurück. Sie selbst habe hunderte "zutiefst bewegende" Gespräche geführt. Über mittlerweile 2.800 Fälle sei entschieden worden, den Betroffenen seien 33,3 Millionen Euro an finanziellen und therapeutischen Hilfeleistungen zuerkannt worden. Seit einigen Jahren gebe es in Österreich auch eine staatliche Heimopferrente, "zumal es leider auch in vielen öffentlichen Heimen und Einrichtungen zu Gewalt und Missbrauch kam".
Geld kann nach den Worten Klasnics "nur eine, wenn auch für viele wichtige, Geste" sein und das erlittene Leid nie abgelten. "Die Anerkennung der Opfer und ihrer Menschenwürde ist das Wichtigste."
Es komme nun vor allem auf breite öffentliche Bewusstseinsbildung und Prävention an, um Gewalt und Missbrauch künftig hintan zuhalten, betonte die Ex-Politikerin, die sich auch im Dachverband Hospiz Österreich engagiert. Dieser Daueraufgabe fühle sie sich verpflichtet. Jeder einzelne Betroffene sei einer zu viel, sagte Klasnic und wiederholte ihr Credo beim Umgang mit Missbrauch: "Es kann und darf keinen Schlussstrich geben."
Jesionek betont Unabhängigkeit
Einer ihrer Mitstreiter in der Opferschutzkommission, der Jurist Udo Jesionek, bestätigte in der Sonntagausgabe des "Kurier" die Unabhängigkeit dieser Einrichtung. Seine Bedingung für die Zusage seiner Mitarbeit sei gewesen, "dass das, was wir beschließen, auch umgesetzt wird und wir völlig unabhängig arbeiten können". Das sei auch der Fall gewesen. "Es gab nie auch nur den geringsten Versuch, Einfluss zu nehmen", versicherte der Präsident der Verbrechensopferhilfe "Weißer Ring".
Das einzige, was von der Kirche vorgegeben worden sei, waren laut Jesionek die Entschädigungsbeträge an die Opfer je nach Schwere der Übergriffe. Diese freiwillig geleisteten Sätze sollten seiner Meinung nach höher sein, meinte der Jurist. Aber die zugestandene Therapien - bis zu 120 Stunden - seien sehr hoch, anerkannte Jesionek. Wie in Deutschland mit der "MHG-Studie" sollte sich die Kirche in Österreich um eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas bemühen.
Prävention sollte für die Kirche auch bedeuten, dass im Zölibat lebenden Männern die Möglichkeit geboten wird, "mit ihrer Sexualität fertigzuwerden". Jesionek hält einen Zusammenhang zwischen dieser Lebensform und sexuellem Missbrauch für plausibel: "Im Vergleich zu meiner Arbeit in der Missbrauchsaufklärung in staatlichen Einrichtungen habe ich in der Klasnic-Kommission mit viel mehr Fällen von Pädophilie zu tun."
Vor künftigen Vertuschungsversuchen sei die Kirche wie jede andere Organisation nicht gefeit, sagte Jesionek. Durch mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft sei es heute aber viel schwieriger als früher, "als Täter im Verborgenen zu bleiben". Heute schenke man Opfern Glauben und es komme zu Verfahren.
Quelle: kathpress