Publizistin zum ORF: "Entpolitisierung ist das Schlüsselwort"
Weniger Zugriff der Politik auf den ORF, dieser dafür mit mehr Freiheiten im Internet - dafür plädiert Gabriele Neuwirth, Vorsitzende des Verbands katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs. "Entpolitisierung ist das Schlüsselwort", sagte sie in einem Kathpress-Interview im Hinblick auf anstehende, von Bundesministerin Susanne Raab angekündigte medienpolitische Weichenstellungen und verwies auf "jede Menge positive ausländische Beispiele von Deutschland bis Großbritannien". Der Stiftungsrat sollte die Zivilgesellschaft repräsentativ abbilden, forderte Neuwirth. Dem werde das höchste Entscheidungsgremium des ORF nicht gerecht: "Es gibt z.B. keinen expliziten Kirchenvertreter mehr im Stiftungsrat, diesen Sitz besetzt nun auch der Bundeskanzler."
Die katholische Medienexpertin bezeichnete es als Konsens im Publizistenverband, die derzeit starken Schranken für den ORF, in Richtung Social Media offensiv tätig zu werden, zu lockern. Dadurch würden Innovationen wie der "ORF-Player", eine Art "österreichisches Netflix", ermöglicht werden. Zur Gebühren-Finanzierung des ORF hielt Neuwirth fest, journalistische Qualität solle nicht unbeschränkt gratis zur Verfügung stehen. Der ORF verlange Gebühren, "wenn Medieneinrichtungen sich gegen eine Bezahlschranke aussprechen, ist das deren Entscheidung".
Gabriele Neuwirth ist eine von sechs befragten Fachleuten, die sich zur Medienpolitik in Österreich - zu ORF-Gesetz, Medienförderung, Inseratenvergabe, Konkurrenz durch Internet-Plattformen u.a. - äußern. Außer ihr kommen in der Kathpress-Interview-Reihe demnächst zu Wort: der in Wien lehrende Medienethiker Alexander Filipovic, der Grazer Caritasdirektor Herbert Beiglböck als Mitglied des ORF-Publikumsrates, der KAÖ-Präsident und Kommunikationsexperte Ferdinand Kaineder, "Furche"-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl sowie Walter Achleitner vom Verein zur Förderung der Kirchenzeitungen.
Mehr Journalisten, mehr Geld
Die Medienförderung in Österreich sollte hinkünftig die Zahl der nach Kollektivvertrag angestellten Journalistinnen und Journalisten berücksichtigen, meinte die Vorsitzende des Verbands katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs. Qualitätsjournalismus sei zeit- und damit auch personalaufwändig. Gleichzeitig sollten die dafür vorgesehenen Gelder der Journalismusausbildung dienen und in diesem Bereich tätige Einrichtungen entsprechend kontrollieren. Auch mehr Leseförderung an Schulen - vor allem des medienkritischen Lesens - befürwortet Neuwirth.
Begrüßenswert fände sie es, wenn im Vergabegremium für die Presseförderung außer der Journalistengewerkschaft, dem Zeitungsherausgeberverband und dem Bundeskanzleramt auch Fachleute aus der Medienwissenschaft und eventuell auch erfahrene Publizisten und Publizistinnen vertreten wären. Ein wünschenswertes Förderungs-Kriterium sind laut Neuwirth ethische Standards, denen sich eine Redaktion verpflichtet - etwa durch ein Redaktionsstatut oder den Ehrenkodex des Österreichischen Presserates. Medien, die laut Verfahrens-Entscheidungen des Presserates gegen die "Grundsätzen für die publizistische Arbeit" verstoßen haben, sollten weniger Förderung erhalten, regte die Publizistin an.
Medienförderung und Inseratenvergabe sollten streng getrennt voneinander behandelt werden, betonte Neuwirth weiter. Limits für Kampagnen etwa seitens von Ministerien seien vorstellbar, wenngleich es Ausnahmen bei besonderen Anlässen wie der Corona-Pandemie geben sollte.
Zum Thema verlässliche Information aus dem Internet meinte die erfahrene Publizistin lapidar: "Das einzige Mittel gegen Fake News und Manipulationen ist die Förderung einer vielfältigen Mediennutzung und die Vermittlung von Medienkompetenz."
Quelle: kathpress