Nuntius Lopez: Appell für solidarische Gesellschaft
Für eine solidarische und ökologisch verantwortungsvolle Gesellschaft hat der Apostolische Nuntius Erzbischof Pedro Lopez Quintana beim traditionellen Neujahrsempfang des Bundespräsidenten plädiert. Der Neujahrsempfang am Donnerstag fand coronabedingt online statt, in Präsenz war neben Alexander Van der Bellen nur der Nuntius in der Wiener Hofburg anwesend. Der jeweilige Nuntius hält beim Neujahrsempfang als Doyen des Diplomatischen Korps die Ansprache und übermittelt dem Präsidenten die Neujahrswünsche der Diplomaten.
Erzbischof Lopez mahnte in seiner Rede eine Gesellschaft ein, die für die Rechte der Ärmsten kämpft und ihre Würde fördert, die den kulturellen Reichtum bewahrt, der sie ausmacht, und die die Schöpfung bzw. die "unwiederbringliche Schönheit der Natur" bewahrt.
Es habe sich leider gezeigt, dass bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten durch die Pandemie "zwar manchmal etwas zugedeckt und verborgen, aber leider nicht verringert oder gar beseitigt werden konnten, sondern sich im Gegenteil eher verstärkt und vermehrt haben", so der Nuntius weiter. Die Pandemie habe zugleich aber auch die Einsicht beschleunigt, "dass wir unseren Lebensstil ändern müssen". Es ist dringend notwendig, an eine Zukunft zu denken, "die Freude macht, die dem Leben Hoffnung gibt".
Bundespräsident Van der Bellen wie auch Papst Franziskus hätten - teilweise mit fast den gleichen Worten - dazu aufgefordert, den Mut nicht zu verlieren, so Erzbischof Lopez weiter: "Eine unerschöpfliche Quelle des Mutes bleiben Respekt und Wertschätzung füreinander, das Wahrnehmen und Wertschätzen des Guten im Anderen, aufeinander zu vertrauen und einander zu helfen." Dies alles seien Haltungen und Eigenschaften, "die Österreich schon oft vor der Welt unter Beweis gestellt hat".
Ausdrücklich würdigte der Nuntius auch das Agieren des Bundespräsidenten im Rahmen der "innenpolitischen Turbulenzen" im vergangenen Jahr. Van der Bellens Vorgehen habe international Respekt und Anerkennung gefunden.
Pandemie und die Klimakrise
Bundespräsident Van der Bellen ging in seiner Ansprache ebenfalls auf die Pandemie und die Klimakrise ein. Er sprach u. a. das Ungleichgewicht beim weltweiten Zugang zu Impfstoffen an: "Während wir jedoch vor allem in den Ländern des globalen Nordens in der glücklichen Situation sind, bereits Auffrischungsimpfungen verabreichen zu können, herrscht in vielen Teilen der Welt weiterhin ein hoher Bedarf an Impfstoffen." Deshalb brauche es mehr denn je internationale Solidarität. In der EU habe man kürzlich ein Spendenziel in der Höhe von weltweit 700 Millionen Impfdosen bis Mitte 2022 beschlossen. Österreich werde sich daran aktiv beteiligen und habe bisher bereits mehr als drei Millionen Impfdosen an Partnerländer und besonders bedürftige Drittstaaten bereitgestellt, so Van der Bellen.
Die Klimakrise nannte der Bundespräsident die "wohl die größte Herausforderung, vor die sich die Menschheit je gestellt sah". Wenn man im Kampf gegen die Treibhausgasemissionen zu langsam sei, "müssen die kommenden Generationen die horrenden Kosten der Erderhitzung tragen", warnte das Staatsoberhaupt. Es sei nicht mehr nur die Jugend, die zu mehr Klimaschutz drängt, sondern auch viele Unternehmen, einschließlich des Finanzsektors, hätten erkannt, "dass sich die Marktrisken ändern und wir energisch handeln müssen".
Wie in der Covid-Pandemie müsse die EU auch in der Klimakrise zusammenhalten und international mit gutem Beispiel vorangehen. Die Länder des globalen Nordens stünden besonders in der Verantwortung, aber klar sei auch, "dass alle Staaten einen Beitrag werden leisten müssen", betonte Van der Bellen. Nachsatz: "Wir können die großen Herausforderungen unserer Zeit nur gemeinsam meistern."
An internationalen Konflikten sprach der Bundespräsident die zähen Wiener Verhandlungen zur Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran und die massiven Spannungen zwischen dem Westen und Russland rund um die europäische Sicherheitsordnung und die Ukraine an. Für Van der Bellen gibt es in Sachen iranisches Atomprogramm keine Alternative zum Dialog und auch keine Alternative zum Wiener Abkommen von 2015, das die USA einseitig aufgekündigt hatten. Umso wichtiger sei es, zu einem positiven Abschluss der derzeit laufenden Wiener Verhandlungen zu kommen.
"Was die angespannte Lage zwischen der Ukraine und Russland betrifft, so sind De-Eskalation und ein pragmatischer und konstruktiver Dialog das oberste Gebot", sagte der Bundespräsident vor den virtuell versammelten Diplomaten. Die Lage im autoritär regierten Belarus, wo Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko Massenproteste gegen Manipulation der Präsidentenwahl 2020 brutal niederschlagen ließ und mit Unterstützung Russlands weiterhin massive Repression herrscht, kommentierte Van der Bellen mit den Worten: "Es ist schwer hinzunehmen, dass sich in Belarus keinerlei Lösung abzeichnet, weder ein Ende der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition, noch der Beginn eines nationalen Dialogs."
Quelle: kathpress