Pock: Pandemie könnte "loses Band" vieler zur Kirche durchtrennen
Die mit der Corona-Pandemie verbundenen Beschränkungen des gemeinschaftlichen Lebens könnte bei vielen dazu führen, dass ihre Kirchenbindung weiter abnimmt. Diese Sorge hat der Pastoraltheologe und Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Prof. Johann Pock, mit Blick auf den jüngst statistisch belegten Rückgang bei der Spendung von Sakramenten geäußert.
"Sehr viele Getaufte nehmen am gemeindlichen Leben nicht teil", sagte Pock im Interview der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (Ausgabe 23. Jänner). Zugleich verstünden sie sich als Christinnen und Christen, die ihren Glauben auf ihre persönliche Weise leben. Diese "treuen Kirchenfernen" würden ihr Leben lang mit ihrem Kirchenbeitrag kirchliches Leben finanzieren und häufig nur an ganz wenigen Momenten etwas erwarten: Und das sind laut dem Pastoraltheologen meist Rituale wie Taufen, Trauungen und Begräbnisse. "Der Rückgang von Sakramentenspendungen kann sicher auch dazu führen, dass dieses lose Band zur Kirche leichter durchtrennt wird", warnte Pock.
Der Theologe bezog sich in seinen Ausführungen auf Daten, die die österreichischen Diözesen am 11. Jänner im Zuge der Kirchenstatistik 2020 veröffentlicht hatten. Viele Feiern von Taufen, Firmungen und Eheschließungen mussten im ersten Coronajahr verschoben werden, es wurden starke Rückgänge verzeichnet. Die Zahl der Taufen sank 2020 (32.521) gegenüber 2019 (44.977) ebenso deutlich wie die kirchlichen Trauungen (von 9.842 auf 3.595) und die Firmungen (von 42.861 auf 26.625).
Rituale an Lebenswenden geben Halt
Dabei spielen Sakramente nach den Worten Pocks eine wichtige Rolle für den Auftrag der Kirche, Menschen auf ihrem Weg zu begleiten. Bei Lebenswenden wie Geburt, Erwachsenwerden, Familiengründung oder auch Krankheit und Tod gehe es darum, "heilsam seelsorglich zu wirken". Sakramente sind nach christlicher Überzeugung sichtbare Zeichen - Pock nannte das Wasser der Taufe - für eine unsichtbare Wirklichkeit und diese zugleich auch bewirkend. Gerade am Anfang und Ende des Lebens merkten Menschen, "dass nicht alles in ihrer eigenen Macht steht", erklärte der Theologe. "Die kirchlichen Rituale bieten hier Sinn und Halt an - auch für Menschen, die ansonsten seltener kirchliche Angebote in Anspruch nehmen."
Den kirchlich Verantwortlichen empfahl Pock angesichts der gegenwärtigen Situation die Bereitschaft, "Sakramente weniger vom Sakramentenrecht her anzuschauen, sondern von ihrem Gnadencharakter". Zum Charakter einer Kirche im Dienst der Menschen gehöre es, Menschen diese Heilsmittel nicht vorzuenthalten. "Hier plädiere ich für eine großzügige Handhabung bei den Zulassungen zur Taufe, zur Firmung oder zur Eucharistiefeier", sagte Pock.
Für eine "weniger normierende Kirche"
Angesprochen auf das Ehesakrament in einer Zeit, da österreichweit während der vergangenen zehn Jahre rund 40 Prozent der zivilen Ehen geschieden wurden, hielt der Pastoraltheologe fest, veränderte Formen des Zusammenlebens seien hier "sicherlich sehr stark herausgefordert". Partnerwechsel und Scheidungen seien gesellschaftlich akzeptiert, auch für sehr viele Katholiken stimmten das kirchliche Eheideal und die kirchliche Sexualmoral nicht mehr mit ihrem Leben überein. "Anbieten kann die Kirche hier, stärker hörende und weniger normierende Kirche zu sein", riet Pock.
Dass der Bedeutungsverlust von Sakramenten auch gesellschaftspolitische Auswirkungen haben kann, verdeutlichte Pock am Beispiel des Bußsakraments. Dieses sei "ein geniales Mittel zum Neubeginn im Leben", wenn auch verbunden mit der Notwendigkeit, dem Priester Peinlichkeiten mitzuteilen. Dennoch: "Wie wichtig eine Versöhnungskultur wäre, zeigt sich nicht zuletzt an den aktuellen Unversöhnlichkeiten zwischen extremen Gruppen in Kirche und Gesellschaft", erklärte Pock.
Quelle: kathpress