Pastoraltagung: Jugendliche mit ihrer Expertise ernstnehmen
Eine verstärkte Wahrnehmung von Jugendlichen als Expertinnen und Experten sowie ein Ernstnehmen ihrer Lebenswelt zwischen On- und Offline hat die Theologin Simone Birkel gefordert. "Das Herz geht auf, wenn sie erzählen dürfen", berichtete die Professorin für Religionspädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt am Freitag bei der Österreichischen Pastoraltagung, die sich heuer dem Thema Jugendpastoral widmet. Ein Anteilnehmen an der hybriden jugendlichen Welt sei wichtig, auch seitens der Kirche. Es brauche ein "offenes Zuhören und interessiertes Nachfragen", dann seien Jugendliche erfahrungsgemäß bereit, Erwachsene an ihrer Lebenswelt teilhaben zu lassen. Entscheidend sei, mit ihnen immer wieder ins Gespräch zu kommen.
Auf die jugendliche Mediennutzung ging Birkel denn auch näher ein. Mehr als 80 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzten etwa für Schulaufgaben ihr Smartphone - und nicht etwa Laptop oder Tablet, verwies die Referentin auf die deutsche "JIMplus"-Studie. Wenn Jugendliche ins Netz "abtauchen" - etwa auf Diensten wie WhatsApp und YouTube, kaum noch bei Facebook - scheinen sie für Erwachsene nicht ansprechbar zu sein, schilderte Birkel. "Man könnte auch sagen, sie sind hoch konzentriert und im Flow." Während der Corona-Pandemie sei das vermehrt erwartbar. Dennoch litten Jugendliche auch unter den Absagen von Offline-Veranstaltungen, und das Kochen, Backen und Umdekorieren sei bei etwa der Hälfte von ihnen im Trend. Das Treffen im Freundeskreis habe schon vor der Pandemie zu den Lieblingsbeschäftigungen gehört.
Um Datenschutz machen sich Kinder und Jugendliche laut Umfragen weniger Sorgen. Demgegenüber stehen immer mehr von ihnen, die von Cybermobbing betroffen sind. Auch Birkel nannte dies als Problem, dem gegenüber es präventiv wie auch im Straffall tätig zu werden gelte. Dinge zur Anzeige zu bringen und Begleitung zu bieten sei "eindeutig die Aufgabe aller", zudem brauche es auch medienpädagogische Begleitung. Jugendliche verfolgten viele Inhalte von Influencern, würden aber selbst kaum Inhalte gestalten. Bei Content-Produktion mit Jugendlichen sei es deshalb wichtig, die Gesetzmäßigkeiten der jeweiligen Social-Media-Kanäle zu nutzen, aber dennoch vorsichtig zu sein.
Raum geben als Stilfrage
Um Partizipation von Jugendlichen ging es in einem Workshop von Roman Sillaber von der Katholischen Jugend in der Diözese Innsbruck. Wichtig sei, Jugendliche mitgestalten zu lassen und ihnen dazu Raum zu geben - auf welche Weise, sei eine "Frage des Stils", befand der Experte. Zur Sprache kam auch der Wunsch nach mehr selbstkritischer Haltung seitens der Kirche. Sillaber stellte zur Frage, ob Partizipation innerhalb der Kirche als selbstverständlich angenommenes Basismerkmal von Zufriedenheit gelte, das erst bei seinem Fehlen zu Unzufriedenheit führe. Der KJ-Abteilungsleiter verwies dabei auf das sogenannte Kano-Modell, das Zusammenhänge zwischen Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung und der Kundenzufriedenheit herstellt.
Die oft beschworene Partizipation Jugendlicher müsse auch gelebt und Möglichkeit dazu geboten werden, unterstrich Sillaber. Schon in jungen Jahren gelte es Teilhabe zu erfahren und einzuüben. Jugendlichen sei es selbst wichtig, ihre Lebenswirklichkeit mitzugestalten. Die Abstufung dazu - von Instrumentalisierung über Information und Einbeziehung bis hin zum Übertragen von Entscheidungsmacht - sollten in ihrer Bandbreite auch heute im kirchlichen Alltag sichtbar werden, führte der Experte aus. Beispiele dafür seien Formen der Stellvertretung und Beteiligung, punktuelle Teilhabe im Pfarrgemeinderat, Mitbestimmung durch Wahl, sowie auch weniger verbindliche, offene Formen und schließlich Projekte mit definiertem Thema, Zeitraum, Teilnehmenden und Zielen wie etwa das Jugendprojekt "72 Stunden ohne Kompromiss".
Quelle: kathpress