Kirchenaustritte: Diözesen um Kontakthalten mit den Menschen bemüht
Insgesamt traten 2021 72.055 Personen aus der Katholischen Kirche aus. Das ergibt die am Mittwoch von den österreichischen Diözesen veröffentlichte Kirchenstatistik. 2020 waren es 58.727 Personen, was damals ein deutlicher Rückgang gegenüber 2019 war (67.794 Austritte). Offensichtlich dürften nicht wenige Personen den Austritt nachgeholt haben, nachdem 2020, im ersten Jahr der Pandemie, die Kommunikation mit den staatlichen Behörden oft nur eingeschränkt möglich war. Die heimischen Diözesen waren am Mittwoch bemüht, die richtigen Schlüsse aus den Daten zu ziehen. Der Tenor der Stellungnahmen: Die Kirche muss sich auch in Zukunft uneingeschränkt um den Kontakt zu den Menschen bemühen. Und sicher habe bei den hohen Austrittszahlen auch die Pandemie eine Rolle gespielt.
"Die Zahl der Kirchenaustritte schmerzt, liegt aber im Trend der Vorjahre", so ein erster Schluss, den der Feldkircher Pastoralamtsleiter Martin Fenkart mit Blick auf die Zahlen zog. Man brauche "keine hellseherischen Kräfte, um zu erkennen, dass sich der Trend der Kirchenaustritte weiterhin fortsetzen wird", so Fenkart: "Kirche wird kleiner werden. Wir bleiben aber für alle Menschen im Dienst, nicht zuletzt dank der tausenden hoch engagierten Ehrenamtlichen." Die Herausforderung laute: "Kontakt halten!"
Was die Kirche leiste, werde im Trubel des Alltags und inmitten einer gesamtgesellschaftlichen Krise oft leicht übersehen. Ein Beispiel: "In Trauer und Krankheit sind Priester und Seelsorgerinnen für alle da - in den 126 Pfarren und auch in den Krankenhäusern des Landes. Alte und kranke Menschen werden besucht. Notleidende erhalten Hilfe z. B. bei der Telefonseelsorge."
Nicht ohne Grund hätten sich die Eltern von 2.357 Kindern im vergangenen Jahr dafür entschieden, ihre Kinder taufen zu lassen. 283 Paare hätten sich das Jawort gegeben, 145 Frauen und Männer seien (wieder) in die Kirche eingetreten und 34 hätten ihren Austritt innerhalb von drei Monaten rückgängig gemacht. Auch das seien Kirchenzahlen aus dem vergangenen Jahr, betonte der Pastoralamtsleiter.
Widersprüchliche Erwartungen an Kirchenleitungen
"Das Beziehungsgeflecht ist offensichtlich dünner geworden. Wenn soziale Kontakte in Zeiten von Lockdowns, Homeoffice und regulierten Verhaltensmaßnahmen eingeschränkt werden, dann hat das Auswirkungen auf Beziehungen - innerhalb in der Familie, im Freundeskreis und auch in Bezug auf Institutionen wie die Kirche." - Mit diesen Worten hat der Linzer Bischofsvikar Wilhelm Vieböck zu den aktuellen Zahlen der Kirchenstatistik Stellung genommen. Nicht alles an Beziehungsarbeit könne in nachgehender Seelsorge oder über den digitalen Raum geschafft werden, obwohl es in den letzten beiden Jahren viele Initiativen in dieser Hinsicht gab, so Vieböck.
Die Diözese Linz hat mit Stichtag 31. Dezember 2021 insgesamt 914.916 Katholiken (2020: 927.906). Im Jahr 2021 traten 12.865 Personen aus der Kirche aus (2020: 10.108). 790 Personen traten wieder oder neu ein. (2020 waren es 717 Personen.) Zusätzlich widerriefen 111 Personen ihren Austritt (2020: 75). "Die Austritte tun als einzelne wie auch als hohe Gesamtzahl weh, so wie jedes Wort der Trennung", räumte Vieböck ein. Auch wenn diese Zahl noch Austritte aus dem Jahr 2020 enthält, die damals aufgrund des Lockdowns nicht mehr erfasst und so erst 2021 bearbeitet wurden, bleibe die Frage nach den Ursachen.
Die Verantwortlichen in der Kirche erlebten, "dass Menschen unterschiedliche, einander oft diametral widersprechende Erwartungen an die Kirchenleitung haben, gerade was die strukturelle Erneuerung oder Bewahrung der Tradition betrifft". Aber auch für die aktuelle Corona-Situation treffe das zu: "Impfbefürworter und Impfgegner - sie alle wollen ihre Sicht der Dinge unbedingt bestätigt sehen oder man geht auf Distanz." Ein von Ausgewogenheit und Ausgleich bestimmter Zugang werde oft kaum anerkannt. Vielleicht, so Vieböck, "hängt das auch damit zusammen, dass der Geduldsfaden generell dünner geworden ist. Die Jahre der Pandemie hinterlassen auch in diesem Zusammenhang ihre gesellschaftlichen Spuren."
Bei all den wenig erfreulichen Zahlen sollte aber auch nicht aus dem Blick geraten, "dass sich nach wie vor sehr viele Menschen in Oberösterreich der Kirche zugehörig fühlen und sich in ihr engagieren", betonte Vieböck weiter: "Dafür ein herzliches Vergelt's Gott!" Über 70.000 Menschen in Oberösterreich stellten sich regelmäßig ehrenamtlich in den kirchlichen Dienst.
"Für alle da, die Hilfe brauchen"
Wie sich der Rückgang der Katholikenzahlen im Detail ergibt, verdeutlichte die Diözese Graz Seckau in ihrer Aussendung am Mittwoch: Im Jahr 2021 hat die Katholische Kirche Steiermark insgesamt 12.223 Menschen verloren. Diese Zahl ergibt sich aus 20.734 Wegzügen, 9.135 Sterbefällen und 11.970 Austritten, denen 29.616 Taufen, Zuzüge und Wiedereintritte gegenüberstehen.
"2021 war wegen der Corona-Pandemie ein schwieriges Jahr für die katholische Kirche. Uns tut es um jede und jeden leid, der oder die unsere Gemeinschaft, die unsere Kultur maßgeblich prägt, verlässt. Die Katholische Kirche Steiermark ist natürlich weiter für alle da, die Hilfe brauchen - sei es über unsere Caritas oder in Form von spiritueller Begleitung oder mit vielen weiteren Angeboten", so Thomas Stanzer, Pressesprecher der Diözese
Immer wieder werde der Kirchenbeitrag als Austrittsgrund genannt. Er macht derzeit 1,1 Prozent des steuerpflichtigen Jahreseinkommens aus. Ein Absetzbetrag von 57,50 Euro wird abgezogen und die persönliche Situation stets berücksichtigt. Der Kirchenbeitrag deckt rund zwei Drittel des Budgets der Diözese ab. Mit ihm wird der Erhalt der kulturhistorischen Bauwerke ebenso finanziert wie die Seelsorge in den Pfarren und viele caritative Hilfsleistungen.
Gleichzeitig sei aber auch in diesem Krisenjahr das Festhalten vieler Menschen am Glauben sichtbar geworden, hieß es in der Aussendung weiter. "Das spirituelle und caritative Engagement der Kirche wird weiter als wichtig betrachtet. Dass es im letzten Lockdown erstmals weiterhin Gottesdienste für alle gab, wurde sehr positiv gesehen", so Stefanie Schwarzl-Ranz, Leiterin des Bereichs Seelsorge der Diözese Graz-Seckau. Aus weiteren Rückmeldungen wisse man, dass die Telefonseelsorge, die gemeinsamen Feiern und die Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort vielen Menschen Halt geben.
"Projekt Pastorale Initiative"
Bei einem Austritt suche man über das "Projekt Pastorale Initiative" telefonischen Kontakt mit jenen, die der Katholischen Kirche den Rücken kehren. Besonders spannend und auch ermutigend seien die Gespräche mit Ausgetretenen, die von vornherein wenig Bezug zur Kirche hatten. Hier seien immer wieder lange und sehr wertvolle Gespräche entstanden. "Das zeigt uns, dass den Menschen der Glaube nicht egal ist. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben ist gerade in Krisenzeiten wichtiger denn je", so Schwarzl-Ranz.
In der Diözese Graz-Seckau gehörten 768.858 Personen im Jahr 2021 der Katholischen Kirche an (2020: 781.081). 11.970 Personen traten 2021 aus der Kirche aus (2020: 9.821). Gleichzeitig konnten bislang 1.090 Wieder- und Neueintritte mit Jahresende 2021 verzeichnet werden (2020: 1.179). 142 Personen widerriefen ihren Austritt (2020: 102).
Quelle: kathpress