Zulehner: Kirche kann Austritte nur eingeschränkt beeinflussen
Die hohen Kirchenaustrittszahlen haben nach Ansicht des Pastoraltheologen Prof. Paul Zulehner zwei große Ursachen. Solche, die die Kirche beeinflussen kann und andere, die sie nicht in der Hand hat. Während die Kirchenzugehörigkeit früher eine selbstverständliche Tradition war, könnten die Menschen heute wählen. In seiner Studie aus dem Jahr 2020 habe ein Drittel der Befragten über einen Austritt nachgedacht, so Zulehner am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal. Ein kleiner Teil sei auch faktisch ausgetreten, andere hätten entschieden, zu bleiben. Und man dürfe auch nicht übersehen, so Zulehner, dass 2021 auch weit über 4.000 Personen in die Kirche eingetreten seien. Letztlich seien die Austritte auf hohem Niveau ein "bleibendes Schicksal", das die Kirche kaum beeinflussen könne.
Trotzdem plädierte der Pastoraltheologe dafür, dass die Katholische Kirche "unnötige Irritationen" abbaut. Dazu zählte er den Umgang mit Frauen, deren Zugang zu den kirchlichen Ämtern oder den dramatischen Priestermangel, für den der Zölibat eine Teilursache sei. Wenn hier etwas geschehe, würde das die Austritte zwar nicht verhindern, der Prozess würde sich aber verlangsamen, zeigte sich Zulehner überzeugt.
Was zuletzt im Bezug auf die Austritte hinzugekommen ist, sei Corona, erläuterte der Theologe. Die Kirche habe durch ihr Tun in der Pandemie und ihre Position in der Impfdebatte viele irritiert. Impfgegner habe etwa gestört, dass im Stephansdom geimpft wird, oder dass sich auch der Papst so deutlich für die Impfung ausgesprochen hat. "Impfgegner können nicht aus der Republik Österreich austreten, aber aus der Kirche schon", so Zulehner.
Insgesamt traten 2021 72.055 Personen aus der Katholischen Kirche aus. 2020 waren es 58.727 Personen. 4.301 Personen wurden in die Kirche wieder oder neu aufgenommen. Das ist mehr als 2020 mit 4.068.
Attraktive Gründe für das Mitmachen
Die Kirchen in Europa würden noch längere Zeit Austritte erleiden, die sie nicht verhindern können. Sie könnten die Entwicklung aber beeinflussen, indem sie den Menschen attraktive Gründe für das Mitmachen geben, bekräftigte Zulehner am Mittwoch auch gegenüber Kathpress. Er hielt fest, dass in der Pandemie viele Pfarrgemeinden eine gute pastorale Arbeit geleistet hätten und verwies u.a. auch auf die Caritas, die sich um viele sozialen Coronaopfer kümmere. Der Einsatz des Papstes für die Ökologie und auch für die Solidarität zählten ebenfalls zu solchen attraktiven Gründen für ein Bleiben. Freilich: "Manche treten auch gerade deshalb aus."
Quelle: kathpress