Theologe Winkler: Synodale Mitwirkungsmöglichkeiten stärken
Für eine Stärkung des synodalen Elements in der Katholischen Kirche hat sich der Salzburger Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler ausgesprochen. Synodalität sei ein "grundsätzliches Wesensmerkmal der Kirche" seit ihren Anfängen, allerdings sei sie erst allmählich zu einer Institution geworden, so der Vorsitzende der "Pro Oriente"-Sektion Salzburg und des "Forums Syriacum" der Wiener ökumenischen Stiftung im Interview mit dem deutschen Informationsportal "katholisch.de".
Die Ostkirchen hätten sich dieses synodale Element im Lauf der Geschichte erhalten und seien diesbezüglich eingeübt, sagte Winkler. In der katholischen Kirche sei die Synodalität zwar auch nicht abgebrochen, doch sei die Hierarchie immer gewichtiger geworden. Spätestens seit dem 19. Jahrhundert gelte der Bischof als alleiniger Entscheidungsträger, was 1870 im Unfehlbarkeitsdogma gipfele. Dieser Primat des Papstes sei erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) "wieder in die Kollegialität der Bischöfe eingebettet" worden, so Winkler.
Heute sollte jede Diözese einen Pastoralrat haben, "in dem sowieso der ganze Teil des Gottesvolkes vertreten ist, der in der Diözese vorhanden ist", sagte der Theologe. Auch bei Diözesansynoden müssten Kleriker und Laien beteiligt werden, und man könne sogar Beobachter berufen, die Mitglied anderer Kirchen oder Kirchengemeinschaften sind. "Das Problem ist, dass all diese Menschen aber nur eine beratende Funktion haben", erklärte Winkler. Der eigentliche Gesetzgeber einer Diözesansynode sei der Diözesanbischof. "Wenn die Balance zwischen örtlichem Primat und Synode aber nicht stimmt, kommt es auch nicht zu guten Ergebnissen, und die Menschen sind schnell frustriert, wenn die Verantwortlichen die Früchte der Beratungen nicht umsetzen", gab Winkler zu bedenken.
Synoden seit der Antike Problemlöser
Winkler blickte im Interview ausführlich zurück in die Kirchengeschichte. Mit der Ausbreitung des Christentums hätten sich bereits am Ende des ersten und zu Beginn des zweiten Jahrhunderts Synoden zur Lösung regionaler oder lokaler Probleme etabliert. Diese ersten Synoden seien durch eine große Unabhängigkeit und Freiheit in der Themenwahl gekennzeichnet gewesen und hätten sich immer auf ein spezifisches geographisches Gebiet bezogen. Die Ergebnisse der Synode in einer Ortskirche seien aber zusammengefasst und in einem sogenannten Synodalbrief an andere Gemeinden verschickt worden. "Die Ortsgemeinden standen ohnehin in regem Briefkontakt. Communio wurde also über Kommunikation hergestellt", so Winkler.
Dieser Rezeptionsprozess sei bis heute wichtig, "weil dahinter das Bewusstsein steckt, dass eine Ortskirche und ihre Synode die ganze Kirche repräsentiert - so wie in jeder Liturgie auch die ganze Kirche präsent ist - sie aber eben nicht die ganze Kirche ist, sondern Teilkirche eines größeren Ganzen".
Franziskus bindet Gottesvolk wieder mehr ein
Heute hätten die Synoden in der katholischen Kirche hingegen beratenden Charakter und würden nicht selbst Entscheidungen treffen. Laut Kirchenrecht seien die Bischöfe oder der Papst die Gesetzgeber, die die Empfehlungen und Vorschläge umsetzen. Das sei in der frühen Kirche nicht so gewesen, "da waren neben Bischöfen ebenfalls Presbyter, Diakone und explizit auch Laien dabei, die mitentschieden haben". Erst ab Ende des dritten Jahrhunderts seien die Synoden zu Bischofssynoden geworden, so Winkler: -"Bis dahin war die Synode ein fruchtbarer Austausch zwischen Bischöfen, Klerus und Laien - ab dann wurden die Laien zu Rezipienten der Autorität der Bischöfe." Nun geht die Kirche laut Winkler mit dem von Papst Franziskus begonnenen synodalen Prozess wieder in die andere Richtung und bindet in der Vorbereitungsphase bereits das Volk Gottes ein.
Zur Frage, welche Rolle Synodalität in der Orthodoxen Kirche spielt, führte Winkler aus: "In der katholischen Kirche erleben wir eine Spannung zwischen Primat und Synodalität. Die orthodoxe Kirche byzantinischer Tradition besteht aus 15 autokephalen und mehreren autonomen Kirchen, die sich als eine Kirche versteht, was Glaube, Sakramente, Liturgie und kanonisches Recht angeht. Jurisdiktionell sind sie aber unabhängig. Jede autokephale Kirche hat ihren Patriarchen oder Erzbischof mit einer jeweiligen Synode. Der Patriarch trifft Entscheidungen also nicht allein, sondern immer gemeinsam mit einer Synode, die sich unterschiedlich zusammensetzen kann." Bei Patriarchenwahlen entscheide bei einigen Kirchen beispielsweise die Bischofssynode, die mit der katholischen Bischofskonferenz vergleichbar ist, bei anderen werde auch das gläubige Volk einbezogen und Kandidatenlisten würden teilweise sogar im Internet veröffentlicht.
Dogmatische Formulierungen zu Glaubensthemen seien nach orthodoxem Verständnis freilich nur in einem gesamtökumenischen Konzil möglich. Deshalb habe die Orthodoxe Kirche Probleme mit Dogmen, die ex cathedra vom Papst verkündet werden. Aber natürlich sei in der orthodoxen Kirche auch nicht alles eitel Sonnenschein, "auch dort gibt es Spannungen, gerade was die Synodalität auf Gesamt-Orthodoxie-Ebene angeht", räumte der Ostkirchenexperte ein. Nachsatz: "Jede christliche Kirche hat ein Charisma, das sie der anderen geben kann, und es hakt bei jeder Kirche auch irgendwo."
Quelle: kathpress