Impfpflicht: Schönborn für Dialog und versöhnliche Gesten
In der polarisierten Situation rund um die Impfpflicht und die Corona-Schutzmaßnahmen plädiert Kardinal Christoph Schönborn für das sachliche Gespräch und versöhnliche Gesten. Es gelte sich nicht mit tiefen Gräben abzufinden, sondern sie zu überwinden, wie dies in der Zeiten Republik in Österreich gelungen sei. Ein konkretes Beispiel dafür sei der gelungene Brückenschlag zwischen Kirche und Sozialdemokratie, erinnerte der Wiener Erzbischof im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" am Silvestertag.
Notwendig sei laut Schönborn, die Impfgegner und Coronaleugner jetzt in ihren Ängsten abholen. "Wir müssen zu verstehen versuchen, warum sie den Eindruck haben, dass die Wissenschaft einer weltweiten Verschwörung unterliegt und dass die Politik die Wahrheit vertuscht." Diese Ängste und Abwehrhaltungen seien mit bloßen Argumenten schwer zu überwinden. "Es braucht auch solche Gesten wie das Lichtermeer, mit dem 30.000 Menschen in Wien an die 13.000 Toten erinnert haben, die Österreich durch Corona zu beklagen hat. Das war eine großartige Solidaritätskundgebung ganz ohne jede Diskussion, ohne jeden Vorwurf", sagte der Kardinal.
Skeptisch zeigte sich der Wiener Erzbischof gegenüber der Idee von Gegendemonstrationen von Impfbefürwortern. Dabei bestünde die Gefahr, dass sich Demo und Gegendemo gegenseitig hochschaukeln. Sehr hilfreich sei demgegenüber die Erklärung von mehreren Hundert Ärzten gewesen, die ohne Schuldzuweisungen ihr ärztliches Ethos genauso zur Sprach gebracht hätten, wie den Umstand, dass das Gesundheitswesen am Limit sei. "Diese Art, nicht lautstark zu protestieren, sondern hinzuweisen auf die reale Situation, ist ein Weg, der Brücken baut."
Die Anfang Dezember veröffentlichte Erklärung der Bischöfe zur Impfpflicht wolle einerseits Verständnis zeigen für die damit verbundenen Sorgen gegenüber der Impfpflicht, führte der Kardinal aus. Auf der anderen Seite sei es der "Versuch zu erklären, dass der Staat hier eine Verantwortung für das Gemeinwohl wahrnehmen muss, die eine Impfpflicht einschließen kann". Natürlich müsse es Ausnahmen geben, gesundheitliche und situationsbedingte. "Aber wenn der Staat eine solche notwendige Maßnahme nicht ergreift, würde das später als Schuld kritisiert", gab der Wiener Erzbischof zu bedenken.
Insgesamt wünsche er sich, "dass es uns im neuen Jahr noch mehr und besser gelingt, als Gesellschaft zusammenzuhalten." Die Pandemie sei eine Herausforderung, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gekannt haben, familiär, individuell, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich. Schönborn: "Diese Herausforderung meistert man besser, wenn man das Ziel gemeinsam anstrebt. Die Nachkriegsgeneration ist dafür ein Vorbild. Da wurde auch gestritten, aber sie haben miteinander geredet und sich zusammengestritten."
Für humanitäre Korridore
Angesprochen auf die Flüchtlingspolitik bejaht der Kardinal den Eindruck, dass die Bundesregierung der vergangenen Jahre hinter den Erwartungen der Bischöfe zurückgeblieben sei. "Wir sind aber laufend im Gespräch mit den Verantwortlichen. Nicht immer mit dem Erfolg, den wir uns wünschen. Was aber immer wieder gelingt, sind Lösungen in einzelnen, humanitär besonders tragischen Fällen."
Als positives Beispiel nannte Schönborn, dass die Regierung unter Innenministerin Mikl-Leitner im Fall des Syrien-Kriegs einen humanitären Korridor geschaffen habe. Damals seien über diesen Weg 2.500 besonders vulnerable Personen aus dem Kriegsgebiet nach Österreich gekommen, die heute gut integriert seien. "Dieses Modell hat sich als sicheres Mittel gegen das Schlepperunwesen bewährt. Ich bin zuversichtlich, dass es unter der neuen Bundesregierung einen Neustart geben wird. Auf der Beamtenebene haben wir eine sehr gute Gesprächsbasis."
Quelle: kathpress