Altpropst Fürnsinn: "Das Ich ist zu groß, das Wir zu klein"
"Das Ich ist zu groß, das Wir zu klein": Mit diesen Worten hat der Administrator von Stift Klosterneuburg, em.Propst Maximilian Fürnsinn die aktuelle gesellschaftliche Krise beschrieben. "Es gibt sehr viel Angst in der Gesellschaft und Menschen mit Angst sind immer manipulativ. Ich glaube, hier müssen wir sehr vorsichtig agieren und wieder lernen, neu aufeinander zuzugehen", so Fürnsinn wörtlich. Er äußerte sich dieser Tage im Interview mit dem ORF Niederösterreich. Die Politik stehe vor der schwierigen Aufgabe, die richtige Balance zwischen Freiheit und Gemeinwohl zu finden.
Fürnsinn: "Wir haben heute Güter, die einander zu widersprechen scheinen: auf der einen Seite Freiheit - ein wirklich großes menschliches, gesellschaftliches Gut - und auf der anderen Seite das Gemeinwohl, der Schutz für die Gemeinschaft." Beides in Einklang zu bringen, sei ein wesentlicher Auftrag der Politik.
Als große Herausforderungen im Zuge der Pandemie kam Fürnsinn u.a. auf die "Einsamkeit als größte Krise der Gesellschaft" zu sprechen. Dies betreffe nicht nur ältere Menschen. "Wir merken, dass sich das leider bis zu den Kindern zieht und auch viele Jugendliche und Erwachsene den Halt verlieren." Hier sei auch die Seelsorge vielfach gefordert. Zudem habe die Impfdebatte zu Spaltungen bis in Familien hinein geführt.
Auf der anderen Seite gebe es aber auch unglaublich viel Positives. Fürnsinn sprach von einer "Demonstration des Guten", die finde er "stärker als jene, die auf den Straßen stattfindet. Vielleicht sollten wir das öffentliche Licht stärker auf diese Gruppen richten."
"Sehnsuchtsschwingungen" zu Weihnachten
Darauf angesprochen, dass nur mehr eine Minderheit Weihnachten als religiöses Fest begeht, meinte der Ordensmann, dass trotz aller Kommerzialisierung und Säkularisierung in den Menschen eine große Sehnsucht vorhanden sei. "Sie wollen Frieden, Geborgenheit, Gemeinschaft, sie wollen dazugehören und vieles Andere mehr", so Fürnsinn: "Das sind Punkte, an denen man die Sehnsucht des Menschen ganz stark spürt." Die Kirche müsse "gerade heute in diese Sehnsuchtsschwingungen die weihnachtliche Botschaft hinein sprechen". Fürnsinn: "Ich sag es ganz klar und deutlich: dass Gott Mensch geworden ist, dass Gott in jedem Menschen neu geboren werden will, dass dieser Gott in uns lebt."
Zur Frage, weshalb er sich noch mit 81 Jahren dazu bereit erklärte, das Amt des Administrators von Klosterneuburg anzunehmen, meinte Fürnsinn wörtlich: "Zunächst einmal wurde ich dazu ersucht, andererseits weiß ich, dass wir vom Stift Herzogenburg dem Stift Klosterneuburg sehr viel Dank schuldig sind." Er selber habe mit zwei anderen Brüdern aus Herzogenburg das Noviziat in Klosterneuburg gemacht. Und so sei es für ihn keine Frage des Alters gewesen, "sondern ich habe gewusst, dass ich dorthin gehen muss. Das war ein innerer Ruf."
Er habe sich in den vergangenen Monaten bemüht, einen Vergemeinschaftungsprozess einzuleiten. "Der ist auf Schiene und geht ganz gut voran", berichtete Fürnsinn: "Wenn diese Gemeinschaft wieder stärker zusammengefunden hat, dann denke ich, ist der Sinn und das Ziel dieser Administration erreicht." Wann es so weit ist, entscheide freilich nicht er, sondern der Vatikan, sagte Fürnsinn.
Interimistische Leitung
Das Stift Klosterneuburg hat turbulente Zeiten hinter sich. Der deutsche Kurienbischof Josef Clemens war im November 2020 als Delegat zum interimistischen Leiter von Stift Klosterneuburg ernannt worden, nachdem Propst Bernhard Backovsky im Mai 2020 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Die Beauftragung Clemens', eines früheren engen Mitarbeiters von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., erfolgte nach einer Apostolischen Visitation des Stifts im Sommer 2020, bei der es unter anderem um Missbrauchsvorwürfe ging.
Im entsprechenden Dekret der zuständigen Kongregation wurde die Einsetzung des Delegaten mit der Feststellung begründet, dass Backovsky die Situation rund um den von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Stiftes begangenen Missbrauch nicht angemessen gehandhabt habe. Als Administrator wurde schließlich Anfang Juni 2021 Prälat Fürnsinn ernannt.
Quelle: kathpress