Grazer Moraltheologe: Corona hat zu "Clash der Kulturen" geführt
Die Corona-Pandemie reißt einen "erkenntnistheoretischen Abgrund" auf, in dem sich zeigt, dass Kulturen heute offenbar nicht mehr einer gemeinsamen Suche nach Wahrheit verpflichtet sind, sondern sie in "Narrative" zerfallen. Diese wiederum stehen miteinander in einem andauernden Konflikt, in einem "Clash der Kulturen", aus dem nur eine Rückbesinnung auf die Kraft des besseren Arguments, der Dialogbereitschaft und auf einen "Sinn für Fakten" herausführt: So lautet die These, die der Grazer Moraltheologe Walter Schaupp in einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" entfaltet. Es herrsche ein "Krieg der Meinungen anstatt der Suche nach gemeinsamer Wahrheit."
Zum Signalwort für diese Entwicklung sei etwa die Rede vom "Narrativ" geworden, welches die gemeinsame Wahrheitssuche zugunsten je eigener Geschichten bzw. Lesarten aufgegeben habe. "Was bleibt, ist ein Nebeneinander und Nacheinander verschiedener Narrative." Das Problem, das sich in überreizten Debatten und Gefechten in den Sozialen Medien rund um Corona zeige, liege nun darin, dass diese Narrative nicht mehr im Privaten ausgetragen werden, nicht mehr im Bereich der Privatsphäre verbleiben, sondern sie mit Corona ein "kollektives Ereignis" betreffen. Die logische Folge sei eben jener "Clash verschiedener Narrative oder auch Kulturen", so Schaupp.
Einen Ausweg stellt dem Moraltheologen zufolge eine Besinnung auf ein faktenbasiertes "Datenwissen", gepaart mit der Bereitschaft zum konstruktiven, auf gemeinsames Verstehen gerichteten Dialog. "Es kann nie ein Zuviel an Datenwissen geben", so Schaupp - allerdings führe "kein unmittelbarer Weg von den Daten zum Handeln, denn Daten müssen interpretiert, d.h. eingeordnet und verstanden werden". Entsprechend seien alle am öffentlichen Diskurs Beteiligten gehalten, "immer wieder geduldig (den) Interpretationsweg transparent" zu machen, der von den Daten zu einer politischen Handlung oder Entscheidung führe. "Geht man davon aus, dass wir letztlich nicht in abgeschlossenen Wahrheitswelten gefangen, sondern Verstehensprozesse immer möglich sind, dann sind Offenheit, Sinn für Fakten, Dialogbereitschaft und Lernbereitschaft die entscheidenden Voraussetzungen dafür, zu einem gemeinsamen Verstehen zu finden."
Quelle: kathpress