Wiener Ordensspital versorgte kriegsversehrte armenische Soldaten
Sechs schwerst kriegsversehrten armenischen Soldaten wurde im Wiener Ordensspital Speising medizinisch und seelisch zurück ins Leben geholfen. Das Ordensmagazin "ON" hat in seiner aktuellen Ausgabe über die mehrmonatige Hilfsaktion berichtet. Die sechs jungen Männer, denen in Armenien nicht mehr geholfen werden konnte, hätten so eine neue Lebensperspektive bekommen.
Der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach im Herbst 2020 forderte tausende Tote, unzählige Verletzte und zigtausende Vertriebene. Die armenische Armee, die militärisch unterlegen war und sich zu einem Gutteil aus jungen, rasch eingezogenen und unerfahrenen Rekruten zusammensetzte, musste einen hohen Blutzoll leisten. Das für die Soldaten in Jerewan zuständige Spital verfügte nur über eine einzige Feldchirurgie, zwar auf hohem Niveau, aber die Ärzte waren vollkommen überarbeitet. Ein halbes Jahr nach Kriegsende standen noch 16.000 Operationen an - bei einem Team von fünf Leuten.
In dieser Situation wandte sich im März 2021 der in Wien residierende armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan mit der dringenden Bitte um Hilfe an den Wiener Weihbischof Franz Scharl. Dieser trug die Bitte weiter an das Orthopädische Spital Speising, wo man eine Hilfsaktion ins Leben rief. Sechs Soldaten wurden im April nach Wien geflogen. Vier waren zwischen 18 und 20 Jahre alt, zwei ca. 40. Alle wiesen schwerste Kriegsverletzungen auf: Zwei hatten beide Beine verloren, ein anderer einen Arm samt Schultergelenk. Ein Vierter hatte durch einen Schuss eine Ellenbogenzerstörung erlitten und konnte seinen steiften Arm nicht mehr bewegen. Der fünfte Patient litt an einem durchschossenen Unterschenkelknochen, der nicht heilen wollte und der letzte Patient wies ein komplexes Trauma am Knöchel mit einer Nervenverletzung auf.
"Jeder einzelne eine medizinische Herausforderung"
"Jeder einzelne stellte eine medizinische Herausforderung dar", so Oberärztin Gabriela Henn-Grigorjan: "Wir mussten zum Beispiel dem Patienten mit der fehlenden Schulter eine Spezialprothese anfertigen, um seine Symmetrie herzustellen und eine Haltefunktion für einen künstlichen Arm zu haben." Den beiden beinamputierten Männern wurden mechanische Prothesen angepasst, mit denen sie freilich erst gehen lernen mussten. Henn-Grigorjan: "Der eine war jünger und schlank, er tat sich ein wenig leichter. Aber sein Kamerad war ein großer, schwerer Mann. Das muss man sich vorstellen: Er hat keine Kniegelenke, er muss aus der Hüfte heraus, ohne ein Gefühl am Fuß zu haben, anfangen zu balancieren, und das sogar auf Stiegen. Es war sehr beeindruckend."
"Wir haben mit einer Physiotherapie von einem Jahr gerechnet", ergänzte Spitals-Seelsorger Klaus Rieger: "Es hat aber nicht so lange gedauert, weil alle Patienten sehr motiviert waren und gut mitgearbeitet haben."
Ein wesentlicher Aspekt der Hilfe war auch die psychische bzw. seelsorgliche Betreuung. Die seelischen Verletzungen waren enorm. "Wir haben manchmal stundenlange Gespräche geführt", erzählte der Seelsorger.
Neben dem Orthopädischen Spital Speising brachte sich laut "ON"-Bericht auch die armenische Community in Wien intensiv materiell und personell in das Hilfsprojekt ein. Die Dolmetscher waren zumeist freiwillige österreichische Studenten mit armenischem Hintergrund. Auch Unterkunft und Finanzierung der Prothesen erfolgte durch Spenden. Tatkräftige Unterstützung kam auch von den Steyler Missionarinnen, die bis 1999 Trägerinnen des Orthopädischen Spitals Speising waren und dort noch immer als Pflegerinnen und Seelsorgerinnen tätig sind.
(Infos: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress