Diözese Linz schlägt Alarm: "Untragbare Zustände" in Care-Berufen
Einen eindringlichen Warnruf angesichts nicht tragbaren Arbeitssituationen der Beschäftigten in Pflege und Betreuung hat am Dienstag die Diözese Linz an die Bundesregierung gerichtet. Für das Personal der medizinischen und Care-Berufe stünden Überlastung und Erschöpfung infolge von Personalknappheit bei ständig zunehmenden Aufgaben und eine Stimmung der Beklemmung und Angst auf der Tagesordnung. Die Situation habe sich durch die nun schon fast zweijährige Corona-Situation noch verschlimmert, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung von Diözesanbischof Manfred Scheuer und Verantwortlichen von Caritas, Katholischer Aktion und Betriebsseelsorge. Dringend seien Veränderungen nötig, "damit Care-Arbeit in Zukunft so verrichtet werden kann, dass sie den Bedürfnissen beider Seiten gerecht wird".
Bischof Scheuer hatte erst kürzlich bei einem Besuch im Krankenhaus Braunau die Situation selbst erlebt. Das pflegende und medizinische Personal auf der Corona-Intensivstation komme "an die Grenzen des Leistbaren. Den Männern und Frauen wird Übermenschliches abverlangt", betonte er. Anliegen aller müsse es sein, "dass die Bereitschaft der Frauen und Männer, sich in diesen Berufen für Menschen einzusetzen, nicht ausgenutzt wird". Es brauche daher Rahmenbedingungen, um den Beruf auch "menschenwürdig" ausüben zu können, mehr Rücksicht auf die Beschäftigten und "gemeinsame Lösungen" - was dann auch ein wichtiger Beitrag für mehr "Zusammenhalt in der Gesellschaft" sei.
Auch in anderen Arbeitsbereichen gibt es derzeit "drastische Verschlechterungen", berichtete Michaela Pröstler-Zopf von der Betriebsseelsorge und der "Katholischen Arbeitnehmer:innenbewegung" (KAB). So habe sich etwa in der Kinderbetreuung die generelle Personalknappheit seit Pandemie-Beginn durch Quarantänezeiten und Krankenstände weiter verschärft. "Äußerst unbefriedigende Notlösungen" seien die Folge, die auch zulasten der Kinder gingen. Ein Erfüllen der pädagogischen Anforderungen sei kaum möglich, "wenn ich gleichzeitig für zwei Gruppen verantwortlich bin und nebenbei auch noch die Büro- und Elternarbeit machen muss", zitierte Pröpstler-Zopf eine Elementarpädagogin. Die KAB teile die Forderungen der Beschäftigten.
Notstand auch in Alten- und Pflegeheimen
Notstand-ähnliche Zustände gibt es auch in vielen Alten- und Pflegeheimen, hieß es unter Berufung auf die dort in der Seelsorge Tätigen. Aufgrund des hohen Pflegebedarfs und des massiven Personalmangels gelinge das Abdecken aller Bedürfnisse nicht mehr, und den Mitarbeitenden - zumeist sind es Frauen - bleibe kaum noch Zeit für Gespräche mit Bewohnern, um die Erfordernisse täglicher Körperpflege zu erfüllen oder Grundbedürfnisse abzudecken. "Viele arbeiten unter großer physischer und psychischer Belastung in Teilzeit - und selten bis zur Pension! Mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen kann in Zukunft die Pflege und Betreuung alter Menschen nur ungenügend erfüllt werden", heißt es in der diözesanen Aussendung.
Als konkrete Forderung an die Politik nannte die Präsidentin der Katholischen Aktion Oberösterreich, Maria Hasibeder, die "gerechte Entlohnung" der gesellschaftlich notwendigen und wertvollen Arbeit. Dass Sorgearbeit, Betreuung und Pflege nicht angemessen bewertet oder in den unbezahlten privaten Bereich abgedrängt würden, sei "empörend". Statt "die anderen" oder "die Frauen" als zuständig zu sehen, bräuchten Care-Berufe mehr Anerkennung, Absicherung und gerechte Bewertung. Inwiefern dies umgesetzt sei, sehe sie als "Gradmesser einer gesunden Gesellschaft und somit eine wichtige Aufgabe der Politik", so Hasibeder.
Dass die massiven Versorgungsprobleme und die Überlastung der Beschäftigten in Pflege und Betreuung vielfach schon seit Jahren andauern, räumte Caritas-Direktor Franz Kehrer ein. Die Corona-Krise habe die Situation verschlimmert und dazu geführt, dass die Betroffenen nun "an vorderster Front der Pandemiebekämpfung" stünden. "Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen eine Perspektive!", forderte der Chef des diözesanen Hilfswerks. Die schon lange versprochene Pflegereform mit Lösungen für das Personal wie auch für pflegende Angehörige sei von der Politik dringend umzusetzen. Auch Kehrer unterstrich zudem die Notwendigkeit besserer Rahmenbedingungen für die Elementarpädagogik. Viele hier Beschäftigte würden durch die zunehmenden Anforderungen vom Einstieg in den Beruf abgeschreckt, andere wieder bald aussteigen.
Quelle: kathpress