Orden stellen sich der Frage der Macht in Schulen
Wie soll in Schulen mit Macht umgegangen werden? Dieser Frage widmete sich am Mittwoch der "Schultag" im Rahmen der Herbsttagungen der heimischen Ordensgemeinschaften. Auch wenn Macht in der Schule oft negativ besetzt sei, gebe es doch viel Raum für die Lehrenden, Macht positiv zu nutzen und ihre Schülerinnen und Schüler zu motivieren und zu stärken. Das betonte Bundesschulsprecherin Susanna Öllinger im Rahmen einer Podiumsdiskussion. Die Frage der Macht dürfe auch nicht auf das Verhältnis Lehrer-Schüler reduziert werden, warnte die Schülervertreterin. Macht werde auch unter den Schülern selbst ausgeübt - auch hier hätten die Lehrenden die Aufgabe, ihre eigene Macht positiv zu nützen und Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.
Öllinger plädierte in ihren Ausführungen zudem ausdrücklich für eine gute Feedback-Kultur in den Schulen. Bei entsprechender Anleitung seien Schülerinnen und Schüler jeder Altersstufe in der Lage, ihren Lehrern konstruktives Feedback zu geben, zeigte sich Öllinger überzeugt.
Die Welser Mittelschuldirektorin Doris Neuhofer berichtete über die jüngsten Herausforderungen für die Schulen im Rahmen der Pandemie: Oft gehe es darum, Lösungen für unlösbare Situationen zu finden. In ihrem Führungsstil sei ihr Ermächtigung sehr wichtig, die Lehrerinnen und Lehrer müssten sich mit den Zielen der Schule identifizieren und mitgestalten. Nur gemeinsam könne man auch die kommenden herausfordernden Wochen meistern.
Hinsichtlich der oftmals beschworenen Schulautonomie meinte Neuhofer, dass es in der Praxis leider seltener um ein Mehr an Gestaltungsspielraum für die Schulen gehe, sondern eher um die "Verwaltung eines Mangels". Was man als Führungskraft in der Schule aber auf jeden Fall brauche, sei Kampfgeist, und man dürfe auch nicht zaudern, "die Verantwortung, die man übertragen bekommen hat, wahrzunehmen".
Persönlichkeit entscheidend
Der Podiumsdiskussion vorangestellt waren drei Impulsvorträge. Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Ordenskonferenz, ging in ihren einführenden Vortrag u.a. auf die verschiedenen Faktoren von Macht ein. Studien würden zeigen, dass 50 Prozent der Macht in der jeweiligen Persönlichkeit begründet liegen ("Persönlichkeitsmacht"), weniger wichtig seien erworbene Fertigkeiten ("Wissensmacht") und nur ein kleiner Teil sei in der "Positionsmacht" begründet.
Sr. Rod führte anhand von Ignatius von Loyola (1492-1556) und dem österreichisch-amerikanischen Psychoanalytiker Otto Kernberg (geb. 1928) einige "Kriterien für Mächtige" an: Hohe Intelligenz, emotionale Reife und menschliche Tiefe, Glaubwürdigkeit, Belastbarkeit und Durchhaltevermögen, aber auch eine gewisse narzistische Begabung und ausreichend "paraniode Anteile", um "feindselige Ströme und gegen die Führungsperson gerichtete Aggressionen erkennen und bearbeiten zu können", wie es Kernberg ausdrückt.
Macht, die mit einer bestimmten Position in der Schule verbunden sei, müsse auch wahrgenommen werden, ermutigte Rod die Teilnehmer der Tagung. Für eine Organisation besonders schlecht sei nämlich ein Machtvakuum, wenn Führungskräfte ihrer Aufgabe nicht entsprechend nachkommen bzw. auch kein Mitarbeiter in dieses Vakuum vorstoße.
Verschiedene Modelle von Macht
Diese Warnung unterstrich auch die Grazer Hochschullehrerin, systemische Beraterin und Theaterpädagogin Olivia de Fontana: in ihrem Impulsvortrag stellte sie verschiedene Modelle von Macht vor; u.a. die sogenannte "Dunkle Triade", wo Führungskräfte bestimmt seien durch Machiavellismus ("Der Zweck heilig die Mittel"), Narzissmus und einem Mangel an Empathie. Solche Führungskräfte fänden sich immer noch sehr stark in verschiedensten Berufsgruppen, vor allem bei Geschäftsführern, Anwälten sowie Journalisten, so die Expertin. Priester seien in diesem Ranking auf Platz acht zu finden, wie de Fontana sagte. Kurzfristige könnten durch einen solchen Führungsstil für Unternehmen wohl Erfolge erzielt werden, die Mitarbeiter blieben aber meist auf der Strecke.
De Fontana stellte der "Dunklen Triade" daher auch das Modell der "Cohesive Leadership" entgegen, in dem Gemeinwohl, Nachhaltigkeit, ethische Vorbildwirkung, gemeinsame Ziele und die Übertragung von Verantwortung an Mitarbeiter prägend sind. Die gemeinsame Grundfrage laute: "Wie wird die Welt durch unser Handeln ein Stück besser?" Aus der Schulforschung wisse man, dass Leitung am besten über gemeinsame Visionen und Ziele und Ermächtigung der Mitarbeitenden wirke, so de Fontana.
Ein Tipp der Expertin für Führungskräfte in den Schulen: "Schauen sie nicht auf das, was sie nicht beeinflussen können. Konzentrieren Sie sich auf jenen Bereich, in dem Sie Gestaltungsmöglichkeiten haben. Das schafft Erfolg und vergrößert wiederum den Kreis der Möglichkeiten."
Kennzeichen guter Führungskräfte
Auch der "Pastoralinnovator" Georg Plank unterstrich in seinen Impulsen, dass es für eine gute Führungskraft neben fachlicher Kompetenz auf jeden Fall einen starken Charakter und überdurchschnittliche Lernbereitschaft brauche. Besonders gute Führungspersönlichkeiten würden sich durch eine paradoxe Mischung aus persönlicher Bescheidenheit und professioneller Durchsetzungskraft auszeichnen.
Gelungene Führung verdeutlichte Plank am Beispiel der Curch of the Nativity in Baltimore (USA). Die Pfarre hat in den vergangenen 15 Jahren ein starkes Wachstum - an Mitgliedern, Initiativen und Lebendigkeit - erfahren. Pfarrer Michael White spreche von einer "dienenden Leitung". Gerade als Pfarrer ordne er sich der Vision und Strategie der gesamten Pfarre unter und gebe damit ein Vorbild für alle Führungskräfte und Verantwortlichen. Das gemeinsame Ziel stehe über individuellen Zielen, alle Führungskräfte würden zusammen arbeiten. Freilich gebe es aber auch einen klaren Rahmen und klare Verantwortungen.
Ein weiteres wesentliches Element guter Führung sei die "bevollmächtigende Leitung", führte Plank in diesem Zusammenhang weiter aus. Führungskräfte sollten sich die Frage stellen, ob ihre Leitung dazu beitrage, dass sich andere entwickeln und ihre Talente entfalten können. Wer einen solchen motivierenden Rahmen schaffe, habe mehr Erfolg, so Plank. Er wies auch darauf hin, dass es in jeder Organisation sowohl Tradition als auch Innovation brauche. Diese Spannung müsse kreativ gestaltet werden.
Konkret auf die Kirche und damit auch auf Orden bezogen, zeigte sich der Pastoralinnovator - ein Zitat des Theologen Rainer Bucher aufgreifend - vom Ende der "konstantinischen Formatierung" überzeugt. Die entscheidende Frage der Zukunft laute daher: "Wie könnte weniger Systemrelevanz zu mehr Existenzrelevanz führen?" Wenn diese Existenzrelevanz in der Kirche, in Orden und auch in Ordensschulen spürbar wird, dann gebe es gute Zukunft, so Plank.
Kirchliche Vielfalt und Weite
Eröffnet wurde der Schultag von Sr. Franziska Bruckner, stellvertretende Vorsitzende der Ordenskonferenz, und Bischof Wilhelm Krautwaschl. Er betonte den Bildungsauftrag der Kirche. Kirchliche Bildungsangebote seien Orte, wo Kirche in ihrer Vielfalt und Weite erfahrbar seien, so Krautwaschl. Er ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für Schulfragen zuständig.
Insgesamt gibt es österreichweit 235 Ordensschulen, die von mehr als 52.000 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Das sind rund drei Viertel aller katholischen Privatschulen im Land. In direkter Ordensträgerschaft befindet sich aber nur mehr ein kleiner Teil der Schulen, der Großteil befindet sich in der Trägerschaft von Schulvereinen. (Infos: www.ordensgemeinschaften.at)
Innovative Schulprojekte ausgezeichnet
Im Rahmen des "Schultages" bei den Herbsttagungen der heimischen Ordensgemeinschaften wurde auch der St.-Georgs-Bildungspreis des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine Österreichs verliehen. Der Hauptverband zeichnete damit in den Kategorien "Schüler:innen", "Lehrer:innen", "Eltern" sowie "Nachhaltigkeit" innovative und engagierte Persönlichkeiten aus.
Lee-Ann Hierzer, Schülerin des Oberstufenrealgymnasiums Volders, wurde für ihre Gründung des Wohltätigkeitsverein "The Martha Program" ausgezeichnet. Der Verein unterstützt die German Church School in Addis Abeba (Äthiopien). Gemeinsam mit Mitschülern sowie ehemaligen Absolventen organisierte sie zwei Benefizkonzerte in Innsbruck.
In der Kategorie "Lehrer:innen" wählte die Jury dieses Jahr Florian Hartl von der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik der Kreuzschwestern in Linz. Mit Unterstützung Hartls entwickelten seine Schülerinnen und Schüler ein Sozialprojekt zur Unterstützung einer Jugendnotschlafstelle und einer Wärmestube.
In der Kategorie "Eltern" wurde Rainer Fehringer vom Schulverein St. Franziskus ausgewählt. Die Schule konnte, ungeachtet der Pandemie, mit Unterstützung Fehringers das Projekt "St. Franziskus tanzt" umsetzen.
Die Jury wählte in der Kategorie "Nachhaltigkeit" schließlich das Projekt "Science Fair 2021" von Schülern des Gymnasiums Sacre Coeur in Wien aus. Das Projekt, das unter dem Motto "Mit Naturwissenschaften das Klima schützen?!" stand, konnte trotz Pandemie im digitalen Rahmen durchgeführt werden.
Katholische Schulen stünden nicht nur für Wissensvermittlung, sondern wesentlich auch für die Frage nach Sinn und Wertevermittlung. Darüber dürfe aber nicht nur gesprochen und gelehrt werden, "sondern das muss vor allem miteinander gelebt werden", sagte Thomas Maximiuk, Präsident des Hauptverbandes, bei der online abgehaltenen Preisverleihung.
Quelle: kathpress