Glettler zur Pandemie: Märtyrer Gapp ist Vorbild in Fake-News-Zeit
Das Zeugnis, das der von den Nazis ermordete Tiroler Priester Jakob Gapp für den grenzenlos liebenden Gott ablegte, ist gerade in der polarisierenden Corona-Krise hochaktuell. Darauf hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler in seiner Predigt zum 25. Jahrestag der Seligsprechung des aus Wattens stammenden Geistlichen am Sonntag in der dortigen Laurentiuskirche hingewiesen. "Wir brauchen gerade in den unzähligen Lockdown- und Impfdebatten ganz dringend mehr Ruhe, mehr Nachdenklichkeit, um uns nicht gegenseitig in noch größeren Stress zu treiben", appellierte der Bischof für eine "ausgewogene Konsens- und Dissenskultur". Sachthemen dürften nicht zu Spaltungen führen, so Glettler. "Wir alle tragen eine hohe Verantwortung für das Miteinander in unserer pluralen Gesellschaft."
Scharfe Kritik übte Bischof Glettler an jenen Ungeimpften, die bei Anti-Corona-Demos am Wochenende "Judensterne" trugen und die Maßnahmen der Bundesregierung mit nationalsozialistischer Politik verglichen. Dies sei eine "Verhöhnung historischer Wahrheit". Glettler schloss sich der Empörung von Innenminister Karl Nehammer über diese "geschmacklose" und die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlosende Form des Protestes an.
Nicht nur seinen Zuhörern in der Wattener Kirche legte der Bischof jene Botschaft Jesu ans Herz, die gleichermaßen tröste wie auch herausfordere: "Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Betet für die, die euch beschimpfen!" Und: "Urteilt nicht, damit auch ihr nicht verurteilt werdet!" Ein zweiter Vorsatz könnte nach den Worten Glettlers lauten: "Den kleinen Lügen, Verdächtigungen, Unterstellungen, Mutmaßungen und Vermutungen, verletzenden Empörungen, verächtlichen Reden, respektlosen Bemerkungen, Demütigungen von Andersdenkenden keinen Raum zu geben!"
"Überschäumende Systemwut gegen alles"
Glettler warnte davor, sich "widerstandslos in gut isolierte Meinungsghettos" zu begeben, "angetrieben und gepeitscht von der digitalen High-Speed-Kommunikation der Social Medias". Gefährlich verdichtete Echokammern seien die Folge, Sachinformationen und wirklicher Dialog kämen zu kurz. Halbwahrheiten und Fake-News würden Menschen manipulieren. Der Bischof verwies auf raffinierte Algorithmen, die nicht nur das Konsum- und Freizeitverhalten, sondern zunehmend Welt-Anschauung und Werteempfinden steuern würden. "Was ist noch Wahrheit, wenn sie systematisch unterlaufen wird?", fragte Glettler. "Diese Tatsache lässt viele in einer überschäumenden Systemwut gegen alles agitieren, was sie nicht verstehen oder ihren Interessen widerspricht."
Menschen hätten ein Sensorium für die Wahrheit - "es ist unser Gewissen", so Glettler weiter. Dieses müsse geschult werden. "Seine Regungen dürfen nicht unterdrückt, aufgrund von Zerstreuung überhört oder angepasst an den Mainstream niedergetrampelt werden."
Jakob Gapp sei in diesem geforderten "ABC von Zivilcourage" ein echtes Vorbild, der sich an der Botschaft Jesu orientiert, an eine solidarische Verbundenheit aller Menschen geglaubt und für die Wahrheit Zeugnis abgelegt habe. "Gehen wir in seine Schule und bitten wir um seine himmlische Assistenz!", rief der Innsbrucker Bischof auf.
Gapp: "Wollte lediglich die Wahrheit sagen"
Glettler erinnerte an die Predigt Jakob Gapps in der Wattener Laurentiuskirche am 11. Dezember 1938, die dessen weiteres Schicksal bestimmen sollte: Aufgrund seiner öffentlich bekundeten Gegnerschaft zum Nationalsozialismus musste der Priester im Jänner 1939 fluchtartig das Land verlassen. Es verschlug ihn zuerst nach Bordeaux, dann nach Spanien, wo er in Ordenshäusern der Marianisten unterrichtete. 1942 wurde Gapp von Spionen ins besetzte Frankreich gelockt und dort verhaftet. Vom Berliner Volksgerichtshof wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, wurde er am 13. August 1943 in Plötzensee enthauptet.
Gapp habe sich von der menschenverachtenden Herrenideologie der Nazis nicht blenden lassen, sagte Glettler. Im bewussten Gegensatz zum in Schulen gelehrten NS-Rassenwahn habe der Priester nicht nur im Religionsunterricht "die Liebe zu allen, gleich welcher Rasse und Religion und auch zu den Feinden" verkündet. Bei seiner Vernehmung am 25. Jänner1943 in Berlin habe sich Gapp mit den Worten verteidigt: "Ich wollte lediglich die Wahrheit sagen. Für mich steht über jedem Vaterland mein katholischer Glaube."
Die Diözese Innsbruck gedenkt des unerschütterlichen Glaubenszeugen zum 25. Jahrestag seiner Seligsprechung mit einer Reihe von Aktivitäten.
Quelle: kathpress