Caritas: Schulerfolg darf nicht länger Frage des Einkommens sein
Auf den Missstand, dass in Österreich der Bildungsabschluss von Eltern und ihr sozioökonomischer Status über die Bildungslaufbahn der Kinder entscheiden, hat die Caritas Österreich anlässlich des Internationalen Tages der Kinderrechte (20. November) aufmerksam gemacht. "Der Schulerfolg für Kinder darf nicht länger vom Geldbörsl der Eltern abhängen", betonte Generalsekretärin Anna Parr in einer Aussendung am Donnerstag. Ohne außerschulische kostenlose Lernangebote wie etwa den Caritas-Lerncafés blieben viele Kinder auf der Strecke. Die Caritas forderte eine Überprüfung der Sozial- und Familienleistungen auf ihre Armutsfestigkeit und ihre verteilende Wirkung. "Langfristig müssen auch Formen der Kindergrundsicherung geprüft werden."
Kinder armutsbetroffener Eltern "starten mit einem großen Nachteil ins Leben", wies Parr hin. Sie kämen oft mit einem niedrigeren Geburtsgewicht zur Welt und wiesen noch beim Schuleintritt häufiger Entwicklungsverzögerungen auf. Der "Armutskreislauf" könne durch Bildung durchbrochen werden, so Parr. "Leider wird Bildungsarmut in Österreich noch immer vererbt." Mehr als 80 Prozent der 10- bis 14-Jährigen aus armutsgefährdeten Haushalten gehen laut Caritas-Angaben in die Hauptschule oder NMS, nur 16 Prozent in eine AHS.
Die Pandemie habe die Situation noch verschärft: Sie habe genau bei jenen Kindern die größten Bildungslücken hinterlassen, deren Eltern oder Elternteile finanziell und damit in vielen anderen Lebensbereichen benachteiligt sind. In den Lerncafés in ganz Österreich zeige sich, "dass armutsbetroffene Kinder vom Schulsystem nicht ausreichend aufgefangen werden". Diese Kinder kämen beim digitalen Schulalltag, der spätestens mit Corona eingekehrt ist, nicht mit, beklagte Parr. Lerndefizite nach langen Phasen des Homeschoolings - etwa Schwächen beim Lesen, Probleme beim Schreiben und die Schwierigkeit, Aufgaben zu verstehen - könnten auch danach nur schwer abgebaut werden.
Den Eltern dieser Kinder fehlten nicht nur die Kenntnisse, um bedarfsgerecht zu unterstützen; Nachhilfe sei für viele einfach nicht leistbar, verwies die Caritas-Generalsekretärin auf eine aktuelle AK-Studie, wonach vier von zehn Eltern durch die Ausgaben für Nachhilfe sehr stark bis spürbar belastet seien. Besonders Kinder von Alleinerziehenden seien hier benachteiligt.
Caritas leistet Armutsprävention durch Bildung
Dem wirkt die Caritas mit ihren mittlerweile 62 Lerncafés österreichweit entgegen: Unabhängig vom Einkommen der Eltern, von Herkunft oder Geschlecht erhalten Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 15 Jahre dort kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung. Das Angebot richtet sich vor allem an Schüler aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Verhältnissen, um so deren Bildungschancen zu erhöhen.
Das erste Lerncafé wurde 2007 in Graz eröffnet, seit 2011 breitet sich das Angebot österreichweit aus. Derzeit besuchen nach Caritas-Angaben mehr als 2.000 Kinder regelmäßig ein Lerncafé, sie erhalten dort noch viel mehr als reine Nachhilfe: "Die Lerncafés sind Orte der Begegnung, es entstehen Freundschaften und Zusammenhalt und wir sind in engem Kontakt auch mit den Eltern und Schulen", erklärte Parr. Das zeige positive Wirkung: 96 Prozent der Kinder, die ein Lerncafé besuchen, schließen das Schuljahr positiv ab. Damit werde "ein wichtiger Grundstein für ein Leben ohne Armut im Erwachsenenalter" gelegt.
Der Bedarf gehe über das Angebot jedoch weit hinaus: 1.000 Kinder warten laut Caritas aktuell auf einen Platz in den Lerncafés - und zeigten damit bildungspolitische Defizite auf. Parr: "Auch wenn wir als Caritas selbst unsere Angebote immer weiter ausbauen: Es gibt insgesamt noch immer viel zu wenig Angebot an kostenloser, außerschulischer Betreuung." Zudem gelte es "vom Problem- in den Lösungsmodus" zu kommen und "Armut zu verhindern, mit guter Bildung für alle". Neben dem Ausbau von kostenlosen außerschulischen Lernbetreuungsangeboten brauche es ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, flächendeckend Kinderbetreuungseinrichtungen und einen Ausbau ganzheitlicher, ganztägiger Schulformen, betonte die Generalsekretärin.
Quelle: kathpress