Sterbeverfügungsgesetz: Bischöfe sehen "nicht akzeptable Mängel"
Österreichs Bischöfe sehen mit großer Sorge, dass künftig auch in Österreich assistierte Suizid - unter bestimmten Voraussetzungen - möglich ist. Sie warnen in einer Erklärung zum Abschluss der Herbstvollversammlung in Wien vor den Folgen dieser Entwicklung. Zugleich weisen sie darin auf gravierende Mängel hin, die der aktuelle Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz enthält, mit dem Missbrauch verhindert werden soll. In einer Stellungnahme der Bischofskonferenz im Rahmen des Begutachtungsverfahrens, das bis einschließlich 12. November angesetzt war, werden die Mängel im Detail erläutert und auch nötige Verbesserungen angeführt.
Wie Erzbischof Franz Lackner, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, am Freitag in Wien bei einer Pressekonferenz sagte, zeige sich in allen Ländern, die eine Beihilfe zur Selbsttötung straffrei gestellt haben, dieselbe besorgniserregende Entwicklung: Innerhalb kürzester Zeit werde aus dem Ausnahmefall eine gesellschaftlich akzeptierte Normalität und aus der Straffreiheit ein einklagbares Anspruchsrecht. Damit dies in Österreich möglichst nicht passiert, habe sich die Österreichische Bischofskonferenz an der aktuellen Gesetzesbegutachtung beteiligt, ohne dabei freilich die Beihilfe zur Selbsttötung gutzuheißen, wie der Vorsitzende ausdrücklich betonte: Unsere Grundhaltung ist klar: "Die österreichischen Bischöfe setzen sich mit allen Kräften für den umfassenden Schutz des Lebens ein."
Die Bischöfe fordern in diesem Zusammenhang auch einen Rechtsanspruch auf Hospiz- und Palliativversorgung und die zeitnahe Sicherstellung der dafür nötigen Finanzmittel. Weiters sprechen sie sich für ein verfassungsrechtliches Verbot der "Tötung auf Verlangen" ein.
Gravierende Mängel
Wie Lackner im Namen der heimischen Bischöfe sagte, enthalte der vorliegende Entwurf zum Sterbeverfügungsgesetz "Mängel, die nicht akzeptabel sind". So sei etwa verabsäumt worden, die nach ärztlicher Aufklärung äußerst notwendige Bedenkfrist von zwölf Wochen und die darauffolgende Errichtung einer Sterbeverfügung zwingend vorzuschreiben. Ebenso sei die psychische Beihilfe zum Suizid ausnahmslos straflos, kritisierte Lackner: "Damit sind allen Versuchen, auf besonders vulnerable Personen Druck aufzubauen, Tür und Tor geöffnet." Inakzeptabel sei für die Bischöfe auch, dass die Entscheidungsfähigkeit des Suizidenten nicht in jedem Fall verpflichtend von einem Psychiater bzw. Psychologen beurteilt werden muss.
Lackner: "Diese drei Punkte sind deswegen so schwerwiegend, weil mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf im Ergebnis eine nahezu vollständige Straflosigkeit der Beihilfe zum Suizid vorgeschlagen wird." Damit missachte der Gesetzesentwurf aber die Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes, betonte Lackner.
In der Stellungnahme der Bischofskonferenz wird dieser Kritikpunkt mit einem sehr drastischen Beispiel illustriert. Das Instrument der Sterbeverfügung werde mit dem vorliegenden Entwurf auf einen bloßen "Bezugsschein in der Apotheke" reduziert. Bloß für diese eine Suizidvariante, nämlich für den Suizid durch ein tödliches Gift aus der Apotheke, wären die zwölf Wochen Bedenkzeit und die Errichtung einer Sterbeverfügung erforderlich. Jede andere Form der Beihilfe zu jeder beliebigen Art des Suizids sei hingegen unmittelbar nach der zweiten ärztlichen Aufklärung straffrei. Damit wäre es beispielsweise für den Beihelfer strafrechtlich zulässig, "der suizidwilligen Person sofort nach der zweiten ärztlichen Aufklärung eine Schusswaffe auszuhändigen, damit sie sich an Ort und Stelle das Leben nimmt". Damit wären aber weder die Dauerhaftigkeit des Suizidwunsches noch der freie Willen gesichert.
Schleichender Kulturbruch
Aus Sicht der Österreichischen Bischofskonferenz ist die Legalisierung der Suizidbeihilfe Teil eines schleichenden Kulturbruchs, der sich der Illusion einer totalen "Machbarkeit" des Lebens verschrieben hat, so Lackner. Jede Form von Mangel, Beeinträchtigung, Leiderfahrung und Krankheit werde als nicht zu duldendes Versagen gewertet und damit gehe auch eine gefährliche Entsolidarisierung in der Gesellschaft einher. Dem wollten die Bischöfe mit mehr Achtsamkeit füreinander und die Bereitschaft zu einer vielfältigen 'Assistenz zum Leben' begegnen, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Besonders besorgniserregend sei für die Bischöfe zudem eine gefährliche Werteverschiebung im Sprachgebrauch, wenn im aktuellen Diskurs von einem "Sterben in Würde" die Rede ist, das scheinbar alternativlos nur durch eine Selbsttötung möglich sein soll. Diese manipulative Rede verkenne nicht nur die Tatsache, dass jeder Suizid eine menschliche Tragödie bleibt. Es werde auch all jenen Unrecht getan, "die bisher menschenwürdiges Sterben durch eine verlässliche und achtsame Begleitung ermöglicht haben und dies auch in Zukunft tun werden".
Pflege ist systemrelevant
Wie die Bischöfe in einer weiteren Erklärung betonen, gehörten zu einem würdevollen Lebensabend auch Pflege und Betreuung. Umso besorgniserregender seien die seit Jahren zunehmenden Versorgungsprobleme im Bereich der Pflege. Die immer lauter werdenden Hilferufe von Trägerorganisationen wie der Caritas sind aus Sicht der österreichischen Bischöfe ernst zu nehmende Warnungen. "Der Pflegebereich ist systemrelevant. Er darf nicht selbst zum Pflegefall werden", warnte Erzbischof Lackner. Die Bischöfe fordern eine Ausbildungs- und Personaloffensive ebenso wie die langfristig abgesicherte Finanzierung durch den Pflegefonds.
Klimaschutz
Im Blick auf den Weltklimagipfel in Glasgow haben die Bischöfe in einer Erklärung zu entschiedeneren Schritten aufgerufen, um - wie von Papst Franziskus und den Repräsentanten der Weltreligionen gefordert - so schnell wie möglich einen Netto-Kohlendioxid-Ausstoß von Null zu erreichen. Reiche Länder dürften daher nicht weitermachen wie bisher, so Lackner: "Sie müssen sich vermehrt engagieren; durch sehr viel striktere Maßnahmen und technische sowie finanzielle Unterstützung für andere Staaten. Deutlich habe etwa der Heilige Stuhl bei der Konferenz in Glasgow von einer "ökologischen Schuld" jenen Ländern gegenüber gesprochen, die von den Auswirkungen der Klimakrise besonders betroffen sind, ohne selbst deren Hauptverursacher zu sein. Auch die Kirche in Österreich sei gefordert, so Erzbischof Lackner: "Uns Bischöfen ist klar: Es muss noch mehr getan werden."
Weltsynode und Theologische Fakultäten
Nachdem der Vatikan die erste Phase der Weltsynode, die auf Ebene der Diözesen und der Bischofskonferenz stattfindet, verlängert hat, haben auch die österreichischen Bischöfe beschlossen, ihre ursprünglichen Planungen zu ändern, um der Erfahrung von gelebter Synodalität mehr Zeit und Raum zu geben. Konkret wird die Abgabefrist für die diözesanen Synthesen auf Palmsonntag, den 10. April 2022 verlängert. Um Synodalität auch untereinander zu praktizieren und zu vertiefen, werden die Mitglieder der Bischofskonferenz zudem am 7. April 2022 in Salzburg einen Studientag dazu und zu synodalen Methoden durchführen.
Erzbischof Lackner lud einmal mehr alle Menschen ein, sich an dem synodalen Prozess zu beteiligen: "Sprechen wir miteinander ehrlich über die Erfahrungen, die uns innerlich berühren. Ebenso wichtig ist die Bereitschaft, einander aufrichtig zuzuhören. Lassen wir uns dabei weder lähmen noch hetzen, sondern machen wir uns gemeinsam auf den Weg."
Nach Abgabe der diözesanen Synthesen wird ein erster Entwurf einer österreichweiten Synthese vorbereitet, die im Zuge der Sommervollversammlung der Bischofskonferenz im Juni in Mariazell begutachtet und diskutiert wird. Dazu wird in Mariazell eigens eine "vorsynodale Beratung der Bischofskonferenz" einberufen. Danach erfolgt die Endredaktion der österreichweiten Synthese, die bis 15. August im vatikanischen Generalsekretariat der Synode einzubringen ist.
Die Bischöfe haben auch das nationale Synodenteam erweitert. Ihm gehören neben Erzbischof Lackner auch Pastoral-Bischof Josef Marketz und Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka an. Neu dazugekommen sind Prof. Regina Polak von der Theologischen Fakultät der Universität Wien und Elisabeth Rathgeb, Caritas-Direktorin der Diözese Innsbruck.
Eine weitere Erklärung der Bischöfe ist den Theologischen Fakultäten gewidmet, denen sie den Rücken stärken. Die Theologischen Fakultäten an den staatlichen Universitäten - solche gibt es in Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck - seien seit den Ursprüngen dieser Hochschulen ein nicht mehr wegzudenkender Teil der universitären Bildungs- und Forschungslandschaft. Die Theologie sei "gleichsam in das Erbgut der europäischen Geistesgeschichte und unseres Bildungskanons eingeschrieben", heißt es in der Bischofserklärung. Theologische Fakultäten seien "unverzichtbare Orte der christlichen Präsenz und des Gesprächs in und mit einem säkularen Umfeld".
Österreichs Bischöfe im Vatikan
Wie Erzbischof Lackner bei der Pressekonferenz sagte, werden die österreichischen Bischöfe nach derzeitigem Stand planmäßig ihren Ad-limina-Besuch von 29. November bis 4. Dezember im Vatikan absolvieren. Sie werden mit Papst Franziskus sowie Vertretern der vatikanischen Kurienbehörden zusammentreffen und über die Situation der Kirche in Österreich informieren und beraten.
Quelle: kathpress