Linz: Gedenkort für NS-Opfer und Märtyrerpriester "Papa Gruber"
Ein neues, vielschichtiges Kunstwerk erinnert an den von den Nazis im KZ Gusen ermordeten Märtyrerpriester Johann "Papa" Gruber. Präsentiert wurde die im Eingangsbereich der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz (PHDL) zu sehende Auftragsarbeit des Wiener Künstlers Christian Kosman Mayer am Freitag bei einem Pressegespräch beim zugleich eröffneten Gedenkort "Wetterleuchten am Horizont". Der Linzer Bischof Manfred Scheuer segnete das Werk und würdigte den an der bischöflichen Lehrerbildungsanstalt - der Vorgängerinstitution der heutigen PHDL - lehrenden Gruber als "Gottes- und Menschenfreund", der "selbst in der KZ-Hölle Gusen Wege fand, ein heilsames Wirken zu entfalten".
Eine dreiteilige medienübergreifende Installation bildet den neuen Gedenkort und verbindet taktile, visuelle wie auch geschmackliche Sinne mit einer wissenschaftlichen Rezeption: Die Handläufe der zum Haupteingang führenden Außentreppe sind mit Auszügen des "Klagelieds zur Erinnerung an Johann Gruber" versehen, mit dem der französische Literat Jean Cayrol 1945 an seinen Lebensretter Gruber erinnert. An die Treppe anschließend ist auf der Brüstung eine Vitrine mit Repliken archäologischer Funde aus der Nähe des KZ Gusen platziert, mit deren Betreuung Gruber 1942 beauftragt wurde. Die Arbeit erlaubte ihm, aus dem KZ heraus ein Netzwerk geheimer Transportwege aufzubauen, das zur Basis für seine lebensrettenden Aktivitäten wurde.
Schließlich gehört auch die "Gruber-Suppe" zur Installation, die im KZ viele Häftlinge am Leben erhielt: Eine Gruppe von Studierenden wird die Suppe zu bestimmten Anlässen in der PHDL zubereiten und dann an alle verteilen, so die Ankündigung in einer Aussendung der Diözese am Freitag. Das Gedenken an Gruber finde hier - in der "nährenden Form" - die "direkteste und körperlichste Übersetzung", hieß es.
Scheuer: Immer auch Mahnung für heute
Ein Gedenkort an Opfer des Nationalsozialismus sei immer auch eine Mahnung vor Verrohung und einem Rückfall in Gewaltkulturen und Barbarei, sagte Bischof Scheuer. Am neuen Gedenkort werde zudem die Erinnerung an Johann Gruber als Vorbild im christlichen Glauben wachgehalten: "Er hat die Menschenfreundlichkeit Gottes unter furchtbarsten Umständen zu vermitteln versucht: Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit, Zuspruch wider jede Resignation." Das sei auch heute von grundlegender Bedeutung, mahnte der Bischof:
Grubers Zeugnis möge die Widerständigkeit und die Fürsorge von Christinnen und Christen und der Kirche insgesamt inspirieren und stärken.
An der Pressekonferenz nahmen u.a. Künstler Christian Kosmas Mayer, PHDL-Rektor Franz Keplinger, Kuratorin Martina Gelsinger vom Kunstreferat der Diözese Linz sowie Thomas Schlager-Weidinger, Mitinitiator des Kunst- und Forschungsprojektes "Anstoß Gruber", teil. Mayer ging als Sieger aus einem künstlerischen Wettbewerb hervor. Er nannte es sein Anliegen, Erzählungen, die Grubers Charakter und Wirken am besten zu vermitteln vermögen, eine verlebendigende Form zu verleihen.
Rektor Keplinger betonte, Grubers Erbe sei "für uns als Bildungsinstitution Vermächtnis und Auftrag". Das Zusammenleben in einer offenen, humanen Gesellschaft vorzubereiten, erfordere eine im umfassenden Sinne verstandene Kultivierung der Menschlichkeit: "Einzutreten gegen Ausgrenzung und Intoleranz, Antisemitismus und Rassismus - das braucht Mut und Glaubwürdigkeit, Begeisterung und die Fähigkeit zum kritischen Denken." Dafür bräuchten gerade auch junge Menschen Vorbilder wie Johann Gruber, erklärte Keplinger. Martina Gelsinger attestierte dem Projekt, unterschiedliche Zugänge zur Biografie des Priesters sowie eine "aktive, identifikationsstiftende Erinnerung" zu ermöglichen.
Im Anschluss an die Segnung des Gedenkortes fand die Präsentation des Sammelbandes "Dr. Johann Gruber - Annäherung und Anstoß", herausgegeben von den Forschungsprojektbetreibern Christoph Freudenthaler und Thomas Schlager-Weidinger, statt. Letzterer äußerte den Wunsch: "Möge uns Gruber immer wieder beim Betreten dieses Hauses klarmachen, dass sich jede Pädagogik an der Würde und am Wohl der Lernenden zu orientieren hat und diesen in einer fürsorglichen Grundhaltung begegnet."
Priester, Lehrer, KZ-Häftling
Johann Gruber, Priester und Reformpädagoge, war ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und baute selbst im Konzentrationslager unter schwierigsten Bedingungen ein Hilfswerk auf, das vielen Häftlingen das Überleben ermöglichte. 1889 als ältestes von vier Kindern in Grieskirchen geboren, verlor er früh seine Eltern. Nach Besuch des Linzer Gymnasiums Petrinum wurde er Priester und nach Kaplansjahren 1934 Direktor der Linzer Blindenanstalt. Dort entwickelte er eine eigene Reformpädagogik, in deren Mittelpunkt das Glück des Kindes stand. Er sprach sich gegen den Anschluss an Hitler-Deutschland aus, nahm heftige Konflikte mit nationalsozialistischen Lehrern auf sich, wurde 1938 wegen eines angeblichen Sittlichkeitsdelikts denunziert, von der Gestapo festgenommen, kam ins KZ Dachau und schließlich ins KZ Gusen.
Im Konzentrationslager war "Papa Gruber" in der Krankenbaracke tätig und baute dabei ein regelrechtes Hilfswerk auf, indem er u.a. notleidende Mithäftlinge mit der "Gruber-Suppe", Kleidung und Informationen über die Kriegslage versorgte und durch Organisation inhaftierter Lehrer sogar eine geheime KZ-Schule für Lagerkinder auf die Beine stellte. Schilderungen Überlebender zufolge rettete der "Papa Gruber" genannte Priester vielen Menschen in Gusen das Leben und galt als "Engel in der Hölle". Grubers Netzwerk flog jedoch auf und er wurde nach tagelangem Verhör und Folter am 7. April 1944 - einem Karfreitag - grausam ermordet. In der Nachkriegszeit geriet Gruber weitgehend in Vergessenheit. Erst am 7. Jänner 2016 wurde er vom Strafgericht Wien vollständig rehabilitiert.
Quelle: kathpress