Kaineder: Politik braucht wieder mehr Nähe zum Bürger
Vielen Politikern ist der unmittelbare Kontakt mit Bürgern verstellt, "stattdessen haben sie sich Umfragen zurechtgezimmert". Nach den Worten des designierten Präsidenten der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Ferdinand Kaineder, hat das Beispiel der jüngsten Gemeinderatswahl in Graz mit der auf große Bürgernähe ausgerichteten Wahlsiegerin KPÖ gezeigt, dass "eine Politik vorwärts kommt, die einfach direkt am Menschen bleibt". Zur politischen Laufbahn des ÖVP-Parteichefs Sebastian Kurz, der diese Woche vom Bundeskanzleramt ins Parlament wechselte, meinte Kaineder: "Da wird sich nicht mehr viel ausgehen."
Der oberösterreichische Theologe und Medienexperte, der seit der jüngsten KAÖ-Vollversammlung an der Spitze der größten Laienorganisation der katholischen Kirche steht - die offizielle Bestätigung wird bei der nächsten Vollversammlung der Österreichischen Bischofskonferenz im November erwartet -, äußerte sich im "Kronenzeitung"-Interview im Rahmen einer Wanderung durch das Mühlviertel. Dabei waren auch die jüngsten Regierungsturbulenzen ein Thema. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Kurz und sein Umfeld stünden dabei gar nicht im Vordergrund, wichtiger sei die ethisch-moralische Ebene. Die beteiligten Politiker vermittelten den Eindruck einer "Alles-ist-möglich-Mentalität", kritisierte der regelmäßige Fußwallfahrer.
Die zuletzt in Kritik geratene ÖVP und die Katholische Aktion verbinde gemeinsame christlich-soziale Werte, wies Kaineder hin. Bei der Volkspartei sei der diesbezügliche Wasserspiegel jedoch auf Kosten anderer Ziele abgesenkt worden. Unter Sebastian Kurz habe die ÖVP das Bundeskanzleramt zurückerobert, "unter dem Machtaspekt ist etwas gelungen", anerkannte der gewählte KAÖ-Präsident. Jetzt freilich werde es viel Energie brauchen, wieder das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen und dabei auch kompromissfähig zu sein.
Politik muss Brücken bauen
Kompromisse zu finden ist laut Kaineder "verpönt geworden, weil zu viele nur der Macht nachgeeifert haben". Dabei sei diese Qualität unverzichtbar und entspreche zudem christlichen Idealen, erinnerte der Theologe an die Bedeutung von "Pontifex", auf Deutsch "Brückenbauer".
Skeptisch äußerte sich Kaineder zum Stellenwert von Umfragen. Bei den regelmäßigen Pisa-Tests zu den kognitiven Fähigkeiten von Schulkindern etwa werde weniger deren Wissen festgestellt als vielmehr die Fähigkeit, mit den Tests umzugehen. Ähnlich sei es bei demoskopischen Stimmungsbildern: "Die Beantwortung ist für viele Routine geworden", gab Kaineder zu bedenken. "Da gibt man andere Antworten, als wenn ich einer Bäuerin beim Wandern treffe und mit ihr darüber rede, was sie bewegt. Eine Grundlage für Politik sind Umfragen nicht mehr."
Quelle: kathpress