Schönborn in Syrien: Heikler Besuch mit Hoffnungspotenzial
Kardinal Schönborn muss bei seinem Syrien-Besuch zahlreichen staatlichen wie kirchlichen syrischen Medien Interviews geben. Er wolle sich selbst ein Bild von der Situation im Land machen, umreißt der Kardinal seine Motivation für die Visite. Er sei tief betroffen vom Leid der Menschen und werde die Botschaft mit nach Österreich und Europa bringen, dass es endlich entschiedene Maßnahmen brauche, um den Syrien-Konflikt zu beenden und die Not der Menschen zu lindern.
Zu den Wirtschaftssanktionen befragt, will Schönborn nicht direkt antworten. Er komme als Pilger und sei kein Politiker. Er mahne aber, dass bei allen Maßnahmen, die gesetzt werden, die Not der Menschen nicht größer werden dürfe.
Syrien und seinen Menschen wünsche er, dass es zu Versöhnung kommt, und alle Menschen als gleichberechtigte Bürger das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Er habe im Land neben der großen Not auch eine große allgemeine seelische Verwundung festgestellt. Diese zu heilen, brauche Zeit, "es ist aber möglich", so die Botschaft Schönborns an die syrische Bevölkerung.
Ökumenisches Friedensgebet
In der syrisch-orthodoxen Patriarchatskathedrale in Damaskus steht Schönborn gemeinsam mit Patriarch Afrem II., dem melkitischen Patriarchen Josef Absi und Nuntius Kardinal Mario Zenari einem ökumenischen Friedensgebet vor. Dabei zeigt sich Schönborn in einer kurzen Ansprache selbstkritisch. Der Westen verschließe die Augen vor der unvorstellbaren Not der Menschen in Syrien. Die Aufgabe der politischen Führer sei es, endlich Frieden zu schaffen. Der Wiener Erzbischof erinnert zudem daran, dass es in den vergangenen Jahren gelungen war, 2.500 syrische Flüchtlinge über Ressetlement-Programme in Österreich aufzunehmen. Doch letztlich müsse es darum gehen, dass niemand dazu gezwungen werde, seine Heimat zu verlassen.
Patriarch Aphrem dankt Kardinal Schönborn für seinen Besuch und bittet ihn zugleich, sich für ein Ende der westlichen Sanktionen gegen Syrien einzusetzen. Die Wirtschaftssanktionen würden die einfache Bevölkerung in tiefstes Elend stürzen.
Tief betroffen zeigte sich Schönborn von diesem Leid der Bevölkerung bei einer Begegnung mit Flüchtlingen und Menschen in Not. Die Geschichten der Binnenvertriebenen gleichen jenen in den Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarstaaten.
Eine alte Frau erzählt vom Tod ihres Mannes. Allein und mittellos ist es der Hilfe der Kirche zu verdanken, dass sie halbwegs über die Runden kommt. Seit 20 Tagen komme kein Tropfen Wasser mehr aus der Leitung, und Strom gebe es sowieso nur für ganz kurze Zeit jeden Tag, erzählt sie. Sie bittet den Westen, das Wirtschaftsembargo aufzuheben. Dem schließen sich viele an, die an diesem Nachmittag Kardinal Schönborn über ihre dramatische Situation erzählen.
Raubgut für den Kardinal
In Homs nimmt Schönborn an einem ökumenischen Friedensgebet in der syrisch-orthodoxen Kathedrale teil. Als Geschenk erhält der Kardinal von Bischof Timotheos Matta Al-Khouryeinen liturgischen Kelch. - Raubgut, das ein Muslim auf dem Schwarzmarkt entdeckt, gekauft, und an die Kirche zurückgegeben hat. Schönborn nimmt das Geschenk - sichtlich bewegt - zum Anlass, auch in Homs zu Toleranz, Dialog und Versöhnung aufzurufen.
Im Anschluss besucht der Wiener Erzbischof das Jesuitenkloster von Homs und betet am Grab von P. Frans Van der Lught (1938-2014). Der Jesuit hatte auch in der schlimmsten Zeit des Krieges im Kloster ausgeharrt, da er die Bevölkerung nicht im Stich lassen wollte. Er wurde 2014 von Islamisten im Kloster ermordet. Sein Grab im Klosterhof ist längst zur Pilgerstätte für Christen wie Muslime geworden. Die Jesuiten - eine bunte internationale junge Truppe - haben inzwischen wieder zahlreiche Aktivitäten aufgenommen, u.a. sind sie in der Jugendarbeit aktiv.
Schließlich führt der Lokalaugenschein des Kardinals auch in jenen Teil von Homs, der immer noch komplett in Trümmern liegt. Gemeinsam mit Bischof Mar Anthimos Jack und der kleinen österreichischen Delegation geht Schönborn durch eine Ruinenlandschaft, die von der unvorstellbaren Grausamkeit des Krieges zeugt. Unvorstellbar scheint auch, dass dieser zerstörte Teil der Stadt jemals wieder aufgebaut werden kann.
Hilfe in Damaskus und Maarat Sadnaya
Auf dem Besuchsprogramm des Kardinals in Damaskus steht u.a auch eine von der syrisch-orthodoxen Kirche betriebene Dialyse-Station. Die Patienten müssen drei Mal pro Woche zur Blutwäsche. Das verursacht wöchentliche Kosten von 150 Dollar; bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von knapp 25 Dollar unerschwinglich. Für die Patienten ist die Behandlung kostenlos, die Kirche trägt die Kosten. Ohne dieser Hilfe wären die Menschen dem sicheren Tod geweiht.
Die syrisch-orthodoxe Kirche hat in Damaskus auch kleine Beschäftigungsprogramme laufen. Schönborn besichtigt etwa eine kleine Textilfabrik, in der u.a. Bettdecken und Polster hergestellt werden. In Maarat Sadnaya bei Damaskus wurde von der Kirche eine Fabrik zur Herstellung von Medikamenten errichtet, sie ist fast fertig. Zudem wurde eine Universität gegründet. Das Angebot für die derzeit rund 400 Studentinnen und Studenten ist breit gestreut. Das Beste, was sie für sich und ihr Land machen könnten, sei ein engagiertes Studium, ermutigt der Kardinal die christlichen wie muslimischen Studierenden.
Schwer gelitten hat im Krieg die Kleinstadt Malula. In der christlichen Stadt wird noch Aramäisch, die Sprache Jesu, gesprochen. Kardinal Schönborn besucht das melkitische Sergios- und Bachuskloster sowie das griechisch-orthodoxe Mar Thekla-Kloster. 2013 eroberten Islamisten Malula und entführten die Nonnen des Klosters. Sie kamen später wieder frei und die syrische Armee eroberte Malula zurück. Über diese Zeit sprechen die Ordensfrauen nicht gerne, sie wollen lieber nach vorne blicken. Dem Großteil der syrischen Bevölkerung fällt dies angesichts der aktuellen Not schwer. Umso wichtiger sei die Solidarität des Westens, bekräftigt der Wiener Erzbischof.
Quelle: kathpress