Podcast: Wie leben Juden heute in Österreich
Am 1. Oktober startet der Film "Marko Feingold - Ein jüdisches Leben" in den heimischen Kinos. Marko Feingold (1913-2019) hat vier Konzentrationslager überlebt und sich später auf vielfältige Weise für die Aufarbeitung der Geschichte und für Versöhnung stark gemacht. U.a. war er viele Jahrzehnte Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg. Im Podcast "Auf Brot und Wein" der Erzdiözese Salzburg erzählt Feingolds Witwe Hanna Feingold, wie sie das Erbe ihres Mannes fortführt und wie sich das Leben für die kleine jüdische Minderheit in Salzburg gestaltet.
Fast 30 Jahre hat Hanna Feingold ihren Ehemann in seinem Engagement gegen das Vergessen des Holocausts unterstützt. Sie ist ihm 2019 auch als Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg gefolgt. Große Sorgen bereitet Feingold der zunehmende Antisemitismus im Land. "Viel schwappt auch vom Ausland nach Österreich herein." Die Politik sei dringend aufgerufen, hier entschieden gegenzusteuern und Maßnahmen zu setzen, forderte die Präsidentin der Kultusgemeinde. Kritik übte sie auch an zahlreichen belasteten Straßennamen in Salzburg. Ein großes Anliegen ist Feingold der Kontakt zur Jugend. Sehr gerne führt sie immer wieder Schulklassen durch die Salzburger Synagoge.
Gute Beziehung zur Kirche
Die Beziehung zur Kirche hob Feingold als sehr freundschaftlich hervor. Das habe im Fall der Katholischen Kirche schon mit Erzbischof Alois Kothgasser begonnen und sei nun auch mit Erzbischof Franz Lackner so. Ihr Mann Marko und Lackner hätten sich stets als "Brüder" begrüßt. "Ein herzliches Verhältnis habe ich auch zu Erzabt Korbinian Birnbacher. Wir begrüßen uns immer als Schwester und Bruder", so Hanna Feingold. Feingold ist die erste Frau an der Spitze der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg. Eine Frau an der Spitze einer Gemeinde sei dabei aber längst nicht mehr außergewöhnlich, erzählt sie. Präsidentinnen gab und gibt es bereits in Innsbruck, Graz und Linz. Als Präsidentin sei sie die Letztverantwortliche für Sicherheit wie auch die Organisation des religiösen Lebens, so Feingold.
Gottesdienste ohne Rabbiner
Rabbiner gibt es in Salzburg keinen. Das sei für jüdische Gottesdienste auch nicht nötig, so Feingold. "Wenn ein Mann vorbeten und aus der Thora lesen kann, dann reicht das. Und so jemanden haben wir." Die Zahl der Synagogenbesucher sei dabei meist überschaubar, zu den großen Festen kämen freilich mehr Jüdinnen und Juden. Wobei die Gemeinde insgesamt nicht sehr groß ist. Feingold spricht von 70 registrierten Mitgliedern in ganz Salzburg (Stadt und Land). "Und dann gibt es vielleicht noch 70 weitere Juden, die nicht registriert sind. Mehr als 200 werden wir aber auf jeden Fall insgesamt nicht sein." Ein großes Thema sei auch die Überalterung der Gemeinde.
Durch die Pandemie sei die Gemeinde bislang nichtsdestotrotz recht gut gekommen, "ohne schwerwiegende Erkrankungen". An die Vorgaben der Behörden habe man sich gehalten, die Synagoge war dann auch für gewisse Zeiten geschlossen. Auf Online-Gottesdienste habe man freilich nicht zurückgreifen können, so Feingold. Am Sabbat sei die Verwendung elektronischer Geräte nicht erlaubt.
Die jüdischen Gebote wie die Einhaltung des Sabbat oder die Verwendung von ausschließlich koscheren Nahrungsmitteln sei in einer Situation wie in Salzburg, wo man eine kleine Minderheit ist, alles andere als leicht, räumte Feingold ein. Und nebenbei hinsichtlich der Nahrungsmittel auch noch recht teuer. Selbst sei sie "sehr liberal", auch hinsichtlich der Ernährung.
"Ein jüdisches Leben"
Der Film "Marko-Feingold - Ein Jüdisches Leben" porträtiert einen der letzten Zeitzeugen des Holocaust. Feingold überlebte die KZs Auschwitz, Neuengamme, Dachau und Buchenwald, wo er bis zur Befreiung interniert war. Feingolds Geschwister kamen allesamt ums Leben. Durch Zufall ließ er sich 1945 in Salzburg nieder, wo er dauerhaft wohnte. Später kritisierte er oft, dass sich Österreich nie ehrlich seiner NS-Vergangenheit gestellt habe. Zu spät für eine Aufarbeitung sei es aber nie. Feingold selbst trug dazu bei durch seine ausgedehnte Vortragstätigkeit, insbesondere als Zeitzeuge in Schulen und Pfarrgemeinden. Seit 1979 war er Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und betreute - obwohl selbst nicht besonders religiös - auch die Salzburger Synagoge.
Durch den Film soll Marko Feingolds Geschichte als unvergängliches Dokument erhalten bleiben. Der Dokumentarfilm wirft zudem zeitlose Fragen auf: zur menschlichen Natur, zu Moral, Verantwortung und zur Würde des Menschen.
Der Podcast aus der Reihe "Auf Brot und Wein" der Erzdiözese Salzburg mit Hanna Feingold ist unter www.eds.at/aktuelles/podcasts/auf-brot-und-wein/ abrufbar. Weiters wird er aus aktuellem Anlass auch über den Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig" ausgespielt und steht u.a. über die Website der Katholischen Kirche in Österreich - www.katholisch.at - zum Nachhören bereit. (Religionspodcast "Wer glaubt, ist selig": https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify.)
Quelle: kathpress