Fürnsinn: "Im Kloster muss das Gemeinsame vor dem Eigenen stehen"
Mit 1. Juli hat der Herzogenburger Altpropst Maximilian Fürnsinn (81) seine Aufgabe als Administrator von Stift Klosterneuburg angetreten. Seine vordringlichste Aufgabe sei es, die Chorherrengemeinschaft zu konsolidieren, berichtete Fürnsinn im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress (Mittwoch). Die Gemeinschaft sei in der Vergangenheit etwas "aus dem Ruder gelaufen", formulierte es der Administrator vorsichtig. Deshalb gelte: "Wir müssen uns gemeinsam auf den Weg machen, wir müssen das Miteinander stärken, Vergangenes aufarbeiten und den Blick nach vorne richten." Das Gemeinsame müsse über das Eigene gestellt werden.
Fürnsinn sieht sich selbst weniger als Leiter als vielmehr als Moderator der Gemeinschaft. Der Prozess werde freilich längere Zeit benötigen. Ein Mandat als Administrator auf eine bestimmte Zeit hat Fürnsinn nicht, der Prozess könne schon ein paar Jahre dauern, ließ er durchblicken. Aus der Krise könne die Gemeinschaft von Klosterneuburg auch nur gemeinsam herauskommen. Letztlich gehe es um eine "verantwortete Selbstleitung", so der Administrator. Und dann sollten die Chorherren eine neue Leitung aus den eigenen Reihen wählen.
Schon in seiner Predigt beim Augustinusfest (28. August) in der Klosterneuburger Stiftskirche hatte Fürnsinn durchblicken lassen, worum es in seiner Aufgabe vor allem geht. Der moderne individualistische Lebensstil schwappe auch hinter die Klostermauer, hatte er gemeint: "Egozentriker gibt es auch im Kloster - auch da gibt es Solisten - oft versteckt hinter maskenhaften Ausformungen."
Im Kloster dürfe man den Anderen und die Anderen aber nicht aus dem Blick verlieren. Fürnsinn: "Ob man die Mitbrüder ernst nimmt, das zeigt sich an ganz einfachen Punkten des gewöhnlichen Klosteralltags: zum Beispiel im gemeinsamen Gebet, von dem man sich nicht mit irgendwelchen Terminen entschuldigen kann. Auch der gemeinsame Tisch ist eine gute Einrichtung für das unkomplizierte Wachsen einer Gemeinschaft mit Gespräch und Humor. Oder die Dienste für die Gemeinschaft, von denen man sich nicht freispielen darf." Nicht einmal die eigenen Arbeitsbereiche - wie etwa die Pfarre - stünden über den gemeinsamen Zielen eines Klosters. Das müsse man in der konkreten Lebensgestaltung bis hin zum Terminkalender spüren, so Fürnsinn. Nachsatz: "Wer dies ständig ignoriert, stellt das Eigene über das Gemeinsame." Dies sei ein "Prüfstein für die Reife eines Klosters und seiner Mitglieder".
Mit der Konsolidierung der Gemeinschaft möchte Fürnsinn aber auch einige neue Akzente im Klosterleben bzw. in der Seelsorge setzen, wie er gegenüber Kathpress betonte. Das Stift Klosterneuburg sei im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich bestens aufgestellt, darüber hinaus sehr stark in der Pfarrseelsorge engagiert. Fürnsinn möchte zudem aber auch das geistliche Profil des Klosters schärfen. "Wie können wir etwa unsere Kulturschätze künftig auch stärker seelsorglich nützen, wie können wir die Jugend stärker ansprechen?", nannte er zwei diesbezügliche Aspekte. Es gelte, "über die Pfarre hinaus zu denken".
Fürnsinn leitete 40 Jahre lang das Stift Herzogenburg. Er wurde 1940 in Herzogenburg geboren und trat nach Abschluss einer Lehre als Fleischhauer in das Kloster ein. Nach dem Theologiestudium in Wien und Klosterneuburg und seiner Priesterweihe 1972 war er einige Jahre als Kaplan in Herzogenburg tätig. Im Jahr 1979 wählten ihn die Mitbrüder zum 68. Propst von Stift Herzogenburg. Diese Funktion übte Fürnsinn bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2019 aus.
Interimistische Leitung
Das Stift Klosterneuburg hat turbulente Zeiten hinter sich. Der deutsche Kurienbischof Josef Clemens war im November 2020 als Delegat zum interimistischen Leiter von Stift Klosterneuburg ernannt worden, nachdem Propst Bernhard Backovsky im Mai 2020 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Die Beauftragung Clemens', eines früheren engen Mitarbeiters von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., erfolgte nach einer Apostolischen Visitation des Stifts im Sommer 2020, bei der es unter anderem um Missbrauchsvorwürfe ging.
Im entsprechenden Dekret der zuständigen Kongregation wurde die Einsetzung des Delegaten mit der Feststellung begründet, dass Backovsky die Situation rund um den von Mitgliedern und ehemaligen Mitgliedern des Stiftes begangenen Missbrauch nicht angemessen gehandhabt habe. Als Administrator wurde schließlich Anfang Juni 2021 Prälat Fürnsinn ernannt.
Fürnsinn, der von Stift Herzogenburg nach Klosterneuburg übersiedelt ist, unterstrich im Kathpress-Interview, dass er als Administrator eng mit dem Päpstlichen Delegaten Bischof Josef Clemens zusammen arbeite. Auch zum früheren Propst Bernhard Backovsky habe er ein sehr gutes Verhältnis.
Auf Missbrauchsfälle im Stift angesprochen, stellte Fürnsinn klar: "Es gab Missbrauchsfälle und das Stift muss dafür die Verantwortung übernehmen. Es darf kein Wegsehen geben." Dieses Bewusstsein sei aber auch schön längst angekommen. Alle Fälle seien entweder schon mit Rom abgeklärt oder an die zuständigen Stellen der Erzdiözese Wien abgegeben. Alle Entscheidungen der Unabhängigen Opferschutzkommission würden zu 100 Prozent erfüllt, bekräftigte Fürnsinn.
Im Stift selbst gebe es eine Präventionsstelle mit einer eigenen Ansprechperson. Für die Chorherren und die weltlichen Mitarbeiter würden Workshops organisiert. "Das ganze Haus soll im Blick auf Missbrauch ein entsprechendes Bewusstsein entwickeln", so Fürnsinn. Er wolle diesbezüglich für Klosterneuburg durchaus von einer Vorreiterrolle sprechen. Die Bemühungen hätten zwei Ziele: "Den Betroffenen Anerkennung und Gerechtigkeit ermöglichen und als Institution aus der Vergangenheit lernen."
Die Klosterneuburger Chorherrengemeinschaft zählt 41 Ordensleute, von denen viele aber nicht im Stift leben, sondern in Pfarren. Es gibt 27 Stiftspfarren, die meisten davon in der Erzdiözese Wien, zwei in den USA und eine in Norwegen. Die gewerblichen Betriebe von Stift Klosterneuburg sind in vier Geschäftsfeldern tätig: Land- und Forstwirtschaft, Kultur und Tourismus, Betrieb und Erhaltung sowie Immobilien- und Liegenschaftsverwaltung. Die Betriebe ermöglichen die Durchführung der religiösen, kulturellen und sozialen Aufgaben des Stiftes. Jedes Jahr werden mindestens zehn Prozent des Ertrages für soziale Aufgaben im In- und Ausland aufgewendet.
Quelle: kathpress