Schweigen als Herausforderung verbindet religiöse Traditionen
Das Thema Schweigen in den Religionen stand im Fokus der diesjährigen Hermann-Stieglecker-Gedächtnistagung im oberösterreichischen Stift St. Florian. Die Beiträge zum Tagungsleitwort "Auch das Schweigen hat seine Botschaft - Der fruchtbare Zwischenraum des Dialogs" hätten gezeigt, dass Schweigen in allen religiösen Traditionen eine Rolle spielt, und dass Schweigen herausfordernder sein kann, als zu reden, sagte der Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker zum Abschluss der Monotheismus-Tagung des "Forums für Weltreligionen" am Dienstag. Im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress äußerte sich der Professor für Islamwissenschaften am Institut für Orientalistik der Universität Wien im Rückblick auf die dreitägige Konferenz.
In den weit gespannten Traditionen wie Judentum, Christentum, Islam, Buddhismus, bis nach Ozeanien sei eine "Vielfalt an Berührungspunkten" deutlich geworden. Diese gelte es nun in die weitere Forschung und Dialogarbeit einzubeziehen. Ebenso müsse das Werk des Priesters und Orientalisten Hermann Stieglecker (1885-1975), der bis China unterwegs war, als Vorbild wahrgenommen und mit Leben gefüllt werden. Stieglecker gilt als einer der Pioniere des islamisch-christlichen Dialogs im deutschen Sprachraum.
Seinen Eröffnungsvortrag bei der Tagung hatte Lohlker am Sonntag dem Thema "Der Islam am Übergang in die Moderne: Bemerkungen zum Islam in Österreich" gewidmet. Hinsichtlich einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit dem Islam werde seit Jahrzehnten im Wesentlichen geschwiegen, in Österreich herrsche hierzu eine "wohlwollende Toleranz". Die Entwicklung seitens der österreichischen Gesellschaft sei jedoch gegensätzlich. Es sei eine "deutlich aggressivere, abwertende Haltung gegen den Islam" zu beobachten, wobei gleichzeitig nicht über Inhalte diskutiert werde.
Anders auf muslimischer Seite. Hier sei eine "neue Elite" zu sehen. Es werde versucht, das Schweigen auf unterschiedliche Weise zu überwinden. Universitär gebe es etliche Initiativen und seitens der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) werde versucht, als Bündnis aufzutreten.
Die Entwicklungen zeigen zu dieser "Transformation" ein "schwarzes Loch" bei jenen Musliminnen und Muslimen, die nicht in Vereinen oder Gemeinschaften organisiert sind. "Wir haben einen großen Teil der Menschen in Österreich, die nicht gehört werden", betonte Lohlker und hielt dazu fest, dass sich immer mehr junge Musliminnen und Muslime als Österreicherinnen und Österreicher sehen.
Der renommierte Alttestamentler und Orientalist Hermann Stieglecker (1885-1975) wirkte als Professor an der Theologischen Hauslehranstalt des Stiftes St. Florian. Er war Weltpriester, lebte aber bis zu seinem Tod im Stift St. Florian, wo sich auch sein Nachlass befindet. Aus der Kenntnis von knapp 70 Sprachen (darunter Sanskrit und Chinesisch) schuf Stieglecker sein Hauptwerk "Die Glaubenslehren des Islam" (veröffentlicht 1958-1962), das bis heute ein unbestrittenes Standardwerk geblieben ist. Stieglecker war mit seiner Einsicht der Notwendigkeit einer Verständigung zwischen den Religionen ein Vorreiter des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65).
Quelle: kathpress