Bischof Freistetter: "Orient-Christen brauchen unsere Solidarität"
Mit einem Appell, die Orient-Christen stärker in den Blick zu nehmen, hat Bischof Werner Freistetter am Montag die Jahrestagung der Initiative Christlicher Orient (ICO) in Salzburg eröffnet. Er unterstrich in seinem Grußwort u.a. die im Westen weithin unbekannte reiche christliche Tradition des Nahen Ostens und Nordafrikas. Der Westen könne von den Christen im Orient, ihrer Spiritualität, ihrem Gottvertrauen und vor allen auch ihrem Durchhaltevermögen noch einiges lernen, zeigte sich der Bischof überzeugt. Und er fügte hinzu: "Die Orient-Christen brauchen unsere Solidarität."
Ein Schwerpunkt der Tagung im Bildungshaus St. Virgil ist dem Thema Migration und dem Leben der Orient-Christen im Westen gewidmet. Die Tagung steht unter dem Motto "DesORIENTierung". Mitveranstalter ist die Salzburger Sektion von Pro Oriente. Militärbischof Freistetter ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für das Referat "Weltkirche" verantwortlich.
Bischof Freistetter bezeichnete die Migration als "Herausforderung epochalen Ausmaßes". Migration sei ein weltweites Phänomen. Europa sei davon auch nur in geringem Ausmaß betroffen. Die meisten Menschen, die ihre Heimat verlassen, seien Binnenvertriebene oder würden es gerade bis in die Nachbarländer schaffen. Unter Verweis auf Papst Franziskus sprach sich der Bischof für eine Haltung der Großherzigkeit und des Vertrauens aus.
Der Linzer Theologe und Migrationsforscher Andreas Schmoller eröffnete den inhaltlichen Teil der Tagung mit einem Überblick über die Migration der Christen des Nahen Ostens in Vergangenheit und Gegenwart. Laut Schmoller betrug der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung im syro-palästinenischen Teil des Osmanischen Reiches um 1580 ca. 8 Prozent. Bis 1914 war dieser Anteil auf fast 27 Prozent angestiegen. Dann kam es zum Einbruch. 1945 waren es noch 19 Prozent und 1995 nur mehr 9 Prozent. Die Gründe dafür lagen in Flucht und Migration, aber auch in niedrigeren Geburtenraten als jene der muslimischen Mehrheitsbevölkerung.
Die erste große Auswanderungswelle setze laut Schmoller in den 1860er Jahren ein. Die Motive für die Migration seien dabei oft nicht klar zu trennen zwischen ökonomischen, sozialen und politischen Gründen, worunter auch Verfolgung, Diskriminierung und Unterdrückung zu rechnen seien. Die ersten Jahrzehnte gingen die Christen vor allem nach Nord- und Südamerika und auch teils nach Australien. Europa stand noch nicht im Fokus, was sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg grundlegend änderte. Obwohl die Migrationen nach Amerika weitergingen, kennzeichnet sich die zweite Welle, die sich ja in viele kleine Wellen unterteilte, dadurch aus, dass Europa nun das primäre Ziel war.
Schätzungen für die Zeit von 2010/15 gehen von rund 560.000 Orient-Christen in Europa aus, 2,65 Mio. in Lateinamerika, 3,68 Mio. in den USA und 90.000 in Australien. Für den Nahen Osten (inklusive Nordafrika) würden rund 12 Mio. Christen geschätzt. Freilich räumte Schmoller ein, dass es keine einzige verlässliche Zahl gebe. Und er fügte im Blick darauf, dass hinter jeder Zahl auch politische Interessen stehen, hinzu: "Zahlen sind eine Waffe!"
Erste staatlich anerkannte Orient-Kirche Europas
Schließlich ging der Migrationsforscher auch auf die Orient-Christen in Österreich ein; ein Beispiel dafür ist die Syrisch-orthodoxe Kirche. Deren Geschichte in Österreich reicht in die 1960er und 1970er Jahre zurück. Die ersten syrisch-orthodoxen Christen kamen im Rahmen der sogenannten Gastarbeiterbewegung nach Österreich. Emanuel Aydin begann 1970 als Subdiakon und später als Priester mit dem Aufbau kirchlicher Strukturen und der Seelsorge. Zur römisch-katholischen Kirche bestanden von Anfang an beste Kontakte. Bereits 1974 feierte die neu gegründete Gemeinde die Übergabe der alten Lainzer Kirche in Wien-Hietzing an die syrisch-orthodoxen Christen in Wien und somit die Eröffnung einer der ersten syrischen Kirche in Europa. Pfarrer Aydin organisierte den kirchlichen Religionsunterricht und gab von 1976 bis 1981 das erste Pfarrblatt einer orientalischen Kirche mit dem Titel "Nuhro" (Das Licht) heraus, das an syrisch-orthodoxe Christen weltweit versandt wurde.
In den 1980er Jahren ging der Institutionalisierungsprozess der syrisch-orthodoxen Gemeinde in Österreich weiter. Sie wurde dabei von der Römisch-katholischen Kirche, vor allem der von Kardinal Franz König gegründeten Stiftung Pro Oriente unterstützt, die sich dem Dialog zwischen katholischer und orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen verpflichtet hatte. 1983 stellte die Gemeinde Wien der syrisch-orthodoxen Gemeinde eine eigene Parzelle auf dem Wiener Zentralfriedhof zur Verfügung.
1988 wurde die syrisch-orthodoxe Kirche als erste in ganz Europa offiziell als staatliche Religionsgemeinschaft von der Republik Österreich anerkannt. Sie war damit die erste syrisch-orthodoxe Kirche in Europa, die einen Status als Körperschaft öffentlichen Rechts erlangte. Mit der staatlichen Anerkennung war z.B. das Recht verbunden, konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen Schulen für Angehörige der syrisch-orthodoxen Kirche anzubieten.
Mittlerweile ist die Syrisch-orthodoxe Kirche in Österreich auf bis zu 7.000 Mitglieder gewachsen. Manche sind erst vor ein paar Jahren durch die Kriegsereignisse in Syrien und dem Irak nach Österreich gekommen, andere gelten in der Diasporaforschung als Angehörige der vierten Generation syrisch-orthodoxer Christen.
Vielfältige Orient-Kirchen
Die Syrisch-orthodoxe Kirche ist nur eine von mehreren Orient-Kirchen in Österreich. Am längsten vertreten in Österreich sei die Armenisch-apostolische Kirche. Die ersten armenischen Bürger Wiens sind im 17. Jahrhundert namentlich fassbar; die Gemeinde selbst wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet. Heute zähle die Armenisch-apostolische Kirche in Österreich rund 7.000 Mitglieder.
Die Zahl der koptischen Gläubigen in Österreich beträgt rund 10.000. Die Kopten haben einige Kirchen in Wien, koptisch-orthodoxe Gemeinden gibt es u.a. auch in Graz, Bruck an der Mur und Linz.
In Wien und Umgebung sind auch noch zwei andere orientalisch-orthodoxe Kirchen präsent: Es gibt äthiopisch-orthodoxe Gemeinden und eine Gemeinde der unabhängigen südindischen Syrisch-Orthodoxen Kirche. Weiters ist das (byzantinische) orthodoxe Patriarchat von Antiochien vertreten. Es gibt eine größere Gemeinde in Wien und eine kleinere in Tirol. Die Zahl der Kirchenmitglieder wird auf etwa 2.000 geschätzt. Weiters gibt es in Wien auch eine Gemeinde der Assyrischen Kirche des Ostens.
In Österreich haben aber auch viele katholischen Ostkirchen aus dem orientalischen Raum eine Heimat gefunden: Es gibt eine armenisch-katholische Gemeinde, chaldäisch-katholische Gemeinde, eine syro-malabarische und syro-malankarische Gemeinde und eine maronitische Gemeinde. Zusammen zählen sie einige tausend Mitglieder. Dazu kommt auch noch die kleine melkitische Gemeinde in Wien. Der Gemeinde gehören etwa 500 Mitglieder an.
Quelle: kathpress