Expertin: EU-Pläne für Afghanistan-Flüchtlinge realitätsfern
Zehn Jahre arbeitete die Flüchtlingshelferin Claudia Villani für die Ruth-Pfau-Stiftung in afghanischen Flüchtlingslagern in Pakistan. In einem Beitrag auf der Website der heimischen Ordensgemeinschaften (www.ordensgemeinschaftten.at) hat sie nun die europäischen Forderungen, Pakistan möge die aus Afghanistan geflohenen Menschen aufnehmen, als "realitätsfern, zynisch und menschenverachtend" bezeichnet. Schon vor der Machtübernahme der Taliban im Nachbarland habe es sich hier um einen humanitären Notfall gehandelt, so die die Wiener Religionslehrerin und Psychotherapeutin. Ihr klarer Appell: Die Welt dürfe Pakistan mit den neuen Flüchtlingen nicht allein lassen.
Die Not in den "Afghan Camps" sei groß, so Villani. Besonders zu schaffen mache das fehlende Wasser, das wegen des versalzten Grundwassers gekauft werden muss. Die Betreiber der Tankwagen, die es herbeibringen, verlangten dafür Wucherpreise, wodurch sich eine zehnköpfige Familie nur einen 20-Liter-Kanister pro Tag leisten könne. "Das muss für Trinken, Kochen, Wäsche waschen und Hygiene für alle reichen", so die langjährige ehrenamtliche Flüchtlingshelferin. Das Wasser sei qualitativ minderwertig, oft verschmutzt und Ursache fast aller medizinischen Probleme wie etwa Infektionskrankheiten und Dehydration.
Villani wirkte von 2009 bis 2019 in einem Lager nordwestlich von Karachi für 120.000 afghanische Flüchtlinge. In dem damals von ihr geleiteten Ernährungsprogramm für Kinder seien die meisten ihrer kleinen Patienten unterernährt und in schon lebensbedrohlicher Verfassung gekommen. Manche Babys seien vor ihren Augen völlig abgezehrt und entkräftet gestorben, berichtete die Wienerin. Nur Säuglinge bis zum vollendeten ersten Lebensjahr habe man mit Maisgrieß versorgen und wöchentlich wiegen können. Mütter älterer Kinder, die ebenfalls wegen Unterernährung teils kaum Kraft zum Stehen hatten, habe man wegen der beschränkten Mittel abweisen müssen.
Vergeblich habe sich das Team der Ruth-Pfau-Stiftung - die vor allem auf Lepra-Hilfe spezialisiert ist - bisher bemüht, andere Organisationen für die Mitarbeit im Camp zu gewinnen, berichtete die Psychotherapeutin. Weil in den Lagern auch Taliban seien, sei die Antwort aber überall die gleiche gewesen, nämlich: "Solange auch Taliban im Camp leben, können wir euch nicht unterstützen." Die Angst der Organisationen sei übergroß, durch die Schlagzeile, man unterstütze Taliban in Pakistan, in Verruf zu kommen.
Die Nichtbeachtung der Menschen und ihrer Not ziehe einen "Teufelskreis" nach sich, erklärte die Expertin: Folge sei nämlich, "dass die Menschen dort völlig auf sich gestellt sind und sich zurecht von der Welt vergessen fühlen". Den Taliban biete genau dies einen guten Nährboden für ihre Ideologie. Villanis Fazit: "Es ist Scheinmoral, das Problem einem Land zuschieben zu wollen, dessen Bevölkerung unter viel schlechteren Lebensbedingungen leben muss als wir in Europa. Öffnen wir unsere Herzen für die Menschen, die nichts mehr haben, auch keine Hoffnung." (Volltext des Briefes unter: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress