"Tag der Suizidprävention": Suizidabsichten immer ernst nehmen
Durch einen offenen Umgang mit dem Thema, das genaue Hinhören und letztendlich ein frühzeitiges Reagieren können suizidale Krisen abgefangen werden. Das betonten Fachleute aus Kirche, Politik, und Wissenschaft bei einer Pressekonferenz anlässlich des Welttages der Suizidprävention am Donnerstag im Oberösterreichische Presseclub in Linz. "Es hat sich gezeigt, dass ein proaktives Vorgehen von unterstützenden Gesundheitssystemen und der Gesellschaft dazu beiträgt, Suizide zu verhindern", betonte Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich.
"Über ein Drittel aller Suizide in Österreich entfallen auf Menschen über 65. Auffallend ist auch, dass sich deutlich mehr Männer als Frauen das Leben nehmen", erläuterte Breitwieser. Was die individuellen Auslöser betrifft, gibt es nicht "die eine Ursache": "Zu Suiziden kommt es nicht nur im Verlauf psychischer Erkrankungen, sondern auch in der Folge schwerer Lebenskrisen", so Breitwieser.
Vielfach gehe es zunächst darum, dass ein Mensch "so" nicht weiterleben möchte. Aus ihrem Beratungsalltag schilderte die Expertin zahlreiche Beispiele - darunter die Geschichte einer Anruferin, dessen Ehemann im Vorjahr verstorben war. Sie erzählte, dass sie ihre drei erwachsenen Kinder kaum sieht und sich sehr allein fühlt - ihr Mann fehle ihr sehr, obwohl die Ehe schwierig gewesen sei. Sie war dankbar, dass sie anrufen konnte. "Menschen, die suizidgefährdet sind, benötigen ein Gegenüber, mit dem sie offen über ihre Probleme und Suizidgedanken sprechen können", zeigte sich Breitwieser überzeugt.
Die Allgemeinheit für das Thema Suizid zu sensibilisieren und Hilfe für suizidgefährdete Menschen und deren Umfeld anzubieten, sei für Birgit Gerstorfer, Landesrätin für Soziales und Gemeinden (SPÖ), "äußerst relevant". Es gebe in Oberösterreich verschiedenste kostenlose Angebote und Anlaufstellen, die Betroffene und ihre Angehörigen professionell unterstützen und stärken. "Gerade in Krisenzeiten ist es enorm wichtig, den Menschen Hoffnung und Zuversicht zu geben", sagte Gerstorfer.
Suizidabsichten immer ernst nehmen
"In der Psychotherapie haben Stigmatisierungen und Tabus für menschliche Not keinen Platz. Suizidabsichten werden immer ernst genommen und es wird offen und wertschätzend darüber gesprochen", betonte Marina Gottwald, stellvertretende Vorsitzende des Oberösterreichischen Landesverbandes für Psychotherapie: "Das gemeinsame Ziel ist, dahinterliegende Bedürfnisse zu verstehen und daraus individuell sinnvolle Perspektiven, Neuorientierung und Bewältigungsstrategien zu entwickeln."
Suizide bei älteren Menschen
Wie wichtig das persönliche Gespräch in schwierigen Lebensphasen ist, betonte auch Klemens Hafner-Hanner, Referent bei "BEZIEHUNGLEBEN.AT": "Suizid ist eine einsame Tat. Wir wissen, der Rückzug aus Beziehungen oder deren Fehlen trägt zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dazu bei, dass Menschen sich überlegen, ihrem Leben einem Ende zu setzen", erklärte der Experte. Dies gelte umso mehr für ältere Menschen, die aufgrund ihres Lebensalters Verluste nahestehender Personen erleben mussten und durch die weniger werdenden sozialen Beziehungen leicht in Isolation gerieten.
Äußerten die Betroffenen Suizidgedanken, so löse dies beim sozialen Umfeld oft Stress, Beklemmung und Überforderung aus. Hafner-Hanner riet Angehörigen und Freunden, Fragen von Sterben und Tod anzusprechen und zu überlegen, wie soziale Teilnahme im persönlichen Umfeld des Betroffenen wieder möglich werden kann.
Eine der häufigsten Todesursachen
Suizid ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Im Jahr 2020 nahmen sich 1.072 Personen in Österreich das Leben - das entspricht etwa drei Personen pro Tag. Auffallend ist, dass sich nach wie vor deutlich mehr Männer als Frauen das Leben nehmen und deutlich mehr ältere Menschen als Jüngere. Über ein Drittel aller Suizide in Österreich entfallen auf Menschen über 65. Bei den Jüngeren, bis 30 Jahre, ist der Suizid hinter Verletzungen und Vergiftungen die dritthäufigste Todesursache.
Hinzu kommt, dass die Anzahl der Suizidversuche die Zahl der tatsächlich durch Suizid verstorbenen Personen um das 10- bis 30-Fache übersteigt. Allerdings führen Tabuisierung, Stigmatisierung und Scham- oder Schuldgefühle häufig zu einer Verschleierung suizidalen Verhaltens. Auch werden nicht alle Suizidversuche als solche erkannt oder führen zu einem Kontakt mit dem Gesundheitssystem, weshalb auch keine verlässlichen Daten zu Suizidversuchen vorliegen.
Per Telefon (Notruf 142), E-Mail oder Chat (onlineberatung-telefonseelsorge.at) können sich Betroffene an die Telefonseelsorge wenden - vertraulich, kostenlos und rund um die Uhr.
Quelle: kathpress