Innsbrucker Caritasdirektorin: Zusammenhalt in Gesellschaft stärken
Den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, Menschen in Not auf vielfältige Weise unterstützen und das soziale Netz im Land vor allem auch in Kooperation mit den Pfarren weiter ausbauen. - Das sind einige der Kernanliegen der neuen Innsbrucker Caritasdirektorin Elisabeth Rathgeb. Sie bestritt Freitagvormittag in Innsbruck gemeinsam mit Bischof Hermann Glettler ihre Antrittspressekonferenz. Auch in der aktuellen Ausgabe des "Tiroler Sonntag" hat Rathgeb in einem ausführlichen Interview ihre Pläne vorgestellt.
Mit ihrer vielfältigen Berufs- und Lebenserfahrung habe Rathgeb das nötige Gespür, das es zum Gedeihen des gesellschaftlichen Zusammenhalts brauche, betonte Bischof Glettler bei der Pressekonferenz. Nachsatz: "Elisabeth Rathgeb hat eine hohe Sensibilität für die Menschen in unserem Land."
Ein Jahr lang hatte Rathgeb die Aufgabe der stellvertretenden Caritasdirektorin inne. "In dieser Zeit ist mir eines besonders aufgefallen - die versteckte Not in Tirol", sagte Rathgeb. "In der Caritas bekommt sie ein Gesicht: Kinder, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können. Jugendliche, die keine geregelte Ausbildung schaffen. Menschen, die drogenkrank und obdachlos sind." Gerade da zeige sich, wie wichtig eine Institution wie die Caritas ist. "Nur wenn wir zusammen helfen, bewältigen wir die aktuellen Herausforderungen", zeigte sich Rathgeb bei der Presskonferenz überzeugt.
Warnung vor Spaltung der Gesellschaft
Im Interview mit dem "Tiroler Sonntag" warnte die neue Caritasdirektorin davor, dass sich die Gesellschaft zusehends spalte "in Menschen, die Arbeit haben und jene, die keine haben, in Geimpfte und Ungeimpfte, in Ältere und Jüngere, in Arme und Reiche". Der Druck für pflegende Angehörige steige, Einsamkeit nehme zu, Wohnraum sei für viele nicht mehr finanzierbar. Und es gebe viel Not, die oft versteckt und kaum sichtbar ist. Jeder und jede Einzelne stehe vor der Frage nach dem eigenen Lebensstil, konkret: "Will ich mitwirken an einer Kultur der Solidarität oder der Spaltung? Will ich mitwirken an einer Kultur des Friedens oder einer Kultur des Aufhetzens?" Der Beitrag aller sei dabei nötig.
Der Grundauftrag der Caritas sei es, "eine Lobby für jene zu sein, die keine Stimme haben, eine Anwaltschaft zu übernehmen für jene, die in Not sind, die am Rand stehen und ausgegrenzt werden", unterstrich Rathgeb. Daneben gebe es noch die unmittelbare Katastrophenhilfe, "wo es schnelle und unkomplizierte Hilfe braucht".
Afghanistans Frauen nicht in Stich lassen
Im Blick auf Afghanistan kritisierte die neue Caritasdirektorin die österreichische Regierungslinie: "Es gibt eine Verfassung, die europäische Konvention der Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention, und die sind zu respektieren. Und da kann man nicht sagen, es interessiert uns nicht, ob jemand in Afghanistan gelyncht wird." Sie denke vor allem an die engagierten Frauen, die sich in den vergangenen 20 Jahren für die Bildung von Mädchen eingesetzt haben, so Rathgeb: "Da braucht es Lösungen, sonst unterhöhlen wir unser eigenes Fundament, auf dem unsere Gesellschaft aufbaut".
Wichtig sei jetzt, die humanitären Programme zu stärken und endlich die Frage der gerechten Verteilung auf EU-Ebene zu lösen. Und es brauche gute Integrationsprogramme und schnellere Entscheidungen der Asylanträge. "Dass dieses Thema jetzt zum politischen Spaltpilz gemacht wird und zum Thema für Stimmenfang, finde ich beschämend", so die Caritasdirektorin. Nachsatz: "Die erste Aufgabe der Politik ist es, hier miteinander einen guten Weg zu finden. Zu sagen, wir schließen die Grenzen und nehmen niemanden auf, das ist unter unserer Würde."
Hilfe für Kinder und Jugendliche
Bei Pressekonferenz stellte Rathgeb ihre Schwerpunkte für das kommende Jahr vor. Die Caritas habe etwa immer ein großes Augenmerk auf die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen gelegt. Neben den bewährten Caritas-Projekten wie Integrationskindergärten und -krippen und den Kinder- und Jugendwohngemeinschaften im Haus Terra in Landeck und im Haus Mirjam in Hall stünden etwa der Ausbau der Lerncafés und ein Beschäftigungsprojekt für Jugendliche", die in keiner Ausbildung Fuß gefasst haben, auf dem Programm.
Der Ausbau der Familienhilfe und die Stärkung der Sozialberatung in den Regionen ist für Rathgeb ein weiteres wichtiges Ziel; ebenso das Engagement in der Demenzberatung und bei der Entlastung pflegender Angehöriger. Ergänzend zur bewährten Arbeit der drei Demenzberatungsstellen der Caritas in Innsbruck, Imst und Uderns starten demnach im Herbst Lehrgänge für ehrenamtliche Besuchsdienste zur Entlastung pflegender Angehöriger in Landeck, Innsbruck, Uderns und Lienz.
Ein weiteres aktuelles Caritas-Highlight ist der Spatenstich für das "Integrationshaus neu" am 22. September in Innsbruck. Das innovative Wohnprojekt beinhalte auch eine Caritas-Beratungsstelle und Krisenwohnungen, erläuterte Rathgeb.
Rathgeb setzt sich auch dafür ein, das Ehrenamt und die Freiwilligenarbeit zu stärken. Daneben hat sie ein ganz konkretes Ziel für die Zusammenarbeit mit den Pfarren: "Wir möchten nach der Pfarrgemeinderats-Wahl im kommenden März in jeder Gemeinde eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Pfarr-Caritas gewinnen."
Im Blick auf die Caritas-Auslandshilfe verwies Rathgeb u.a. auf zahlreiche Projekte in Westafrika, wo es um Ernährungssicherheit, Trinkwasserversorgung, Gesundheit sowie nachhaltige Landwirtschaft und die Milderung der Folgen des Klimawandels geht. Die Caritas engagiert sich aber auch für Kinder und Jugendliche in Rumänien und Armenien.
Elisabeth Rathgeb ist studierte Theologin und Historikerin. Sie war als Lehrerin tätig und leitete das Bildungshaus St. Michael in Matrei am Brenner. Von 2004 bis 2019 war Rathgeb Leiterin des diözesanen Seelsorgeamtes, seither bereits stellvertretende Caritasdirektorin. Sie folgt auf Georg Schärmer, der 23 Jahren die Caritas der Diözese Innsbruck leitete. Bischof Glettler dankte im Rahmen der Pressekonferenz Schärmer nochmals ausdrücklich für sein "leidenschaftliches Engagement".
Quelle: kathpress