Ethikunterricht: Neues Schulbuch mit religiös-ethischen Perspektiven
Ein neues Schulbuch für den ab Herbst regulär startenden Ethikunterricht an Österreichs Schulen haben Mitarbeiter des Instituts für Systematische Theologie und Religionswissenschaft der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien erarbeitet. "Vielfalt (er)leben" lautet der Titel des im Trauner-Verlag erschienenen Schulbuchs, der auch beschreibt, wie die am Ethikbuch beteiligten Religionswissenschaftler den Ethikunterricht begreifen: Perspektiven unterschiedlicher Religionen kommen darin ebenso zu Wort wie nicht-religiöse oder philosophisch-ethische Positionen.
Schülerinnen und Schüler sollten im Ethikunterricht mit den Werten einer postsäkularen Gesellschaft respektvoll und tolerant umzugehen lernen, erklärt einer der Mitautoren von "Vielfalt (er)leben", Robert Wurzrainer, im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress. Deshalb würden auch religiöse Positionen stärker im Ethikunterricht behandelt, als das in den bisher veröffentlichten Schulbüchern für den Ethikunterricht der Fall ist, so der Religionswissenschaftler und Ethiker.
Zunächst ab der 9. Schulstufe der AHS und BHMS ist der Ethikunterricht ab dem neuen Schuljahr verpflichtend für Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Dass dabei eine Gruppe hauptsächlich säkular geprägter Schüler zusammenkommen werde, sei ein oft angenommenes Bild, das aber nicht der Realität entspreche, erklärt Wurzrainer: "Auch viele, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben, weil ihnen die Lehrperson womöglich zu konservativ oder auch zu progressiv ist, oder religiöse Schülerinnen und Schüler, für die gar kein konfessioneller Religionsunterricht angeboten wird, werden in diesen Gruppen sitzen."
Der offizielle Lehrplan für den Ethikunterricht legt fest, dass auch die Religionsgemeinschaften in Österreich dargestellt werden müssen. Im neuen Schulbuch "Vielfalt (er)leben" ist dieses Kapitel deutlich ausführlicher als in den anderen Schulbüchern zum Ethikunterricht. Die verschiedenen Kirchen und Religionsgesellschaften werden detailliert beschrieben und kommen mit ihren ethischen Positionen teils auch selbst zu Wort. Trotzdem werden sie rein deskriptiv nach den Prämissen der Religionswissenschaft dargestellt, wie Schulbuch-Mitautor Wurzrainer betont.
Idee sei ursprünglich gewesen, religiöse Positionen auch außerhalb dieses Kapitels zu Themen wie Umwelt- oder Bioethik zu Wort kommen zu lassen. Diesen Plänen habe die Gutachterkommission des Bildungsministeriums einen Strich durch die Rechnung gemacht, berichtet Wurzrainer. Religionen sollten nur in dem dafür vorgesehenen Kapitel vorkommen. "Man merkt teilweise schon einen deutlichen Vorbehalt gegenüber allem, was mit Religion zu tun hat, wenn es um das neue Schulfach Ethik geht", so der Religionswissenschaftler und Ethiker. Die Abschnitte habe man streichen müssen, damit das Schulbuch seine Genehmigung für den Einsatz im Unterricht bekommt. Das bereits ausgearbeitete Material zu den Positionen der Religionen bei anderen ethischen Themen wird den Ethiklehrenden aber trotzdem für den Einsatz im Unterricht zur Verfügung stehen. Wenn sie das Schulbuch kaufen, kann es digital abgerufen werden.
Religiöse Bildung wichtig für Gesellschaft
Religiöse Bildung sieht Wurzrainer insgesamt als wichtigen Beitrag für eine Gesellschaft, weshalb er auch einem gut geführten, offenen Religionsunterricht positiv gegenübersteht. Der Religionswissenschaftler wünscht sich eine gute Kooperation der beiden Unterrichtsgegenstände, wie sie Bildungsminister Heinz Faßmann fordert. Es gäbe bereits gute und zeitgemäße Konzepte, wie man Religionsunterricht dialogisch anbieten könne, ähnlich könnte man dann hier mit dem Ethikunterricht kooperieren. "Der Religionsunterricht kann - vor allem in seiner dialogischen Ausrichtung - viel Gesprächspotenzial bieten. Es wäre schade, wenn es ihn nicht mehr gäbe", so der Religionswissenschaftler.
Neben dem an der Wiener Evangelisch-theologischen Fakultät lehrenden Religionswissenschafter Prof. Wolfram Reiss und Robert Wurzrainer haben die Religionswissenschaftlerin und Ethiklehrerin Veronica Futterknecht und der Philosoph Ferdinand Ahuser das Schulbuch "Vielfalt (er)leben" erstellt. Die Ausgabe für die neunte Schulstufe ist bereits vom Bildungsministerium genehmigt, das Buch für die zehnte Schulstufe befindet sich derzeit im Begutachtungsprozess. Die Neuerscheinung kann über die Website des Trauner-Verlags bestellt werden. (Info: www.trauner.at; Direktlink zum Buch https://bit.ly/3ynwAQo)
Quelle: kathpress