Caritas: Afghanistan-Abschiebungen derzeit "nicht vertretbar"
"Aufgrund der drastischen Verschlechterung der aktuellen Sicherheitslage, halte ich Abschiebungen nach Afghanistan menschenrechtlich derzeit für nicht vertretbar." Das hat die Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr, am Donnerstag auf Kathpress-Anfrage betont. Am Mittwoch gaben Deutschland und die Niederlande bekannt, wegen der deutlichen Verschlechterung der Sicherheitslage Abschiebungen nach Afghanistan vorerst auszusetzen. Österreich hält hingegen an seiner Abschiebepraxis fest: "Ein faktisches Aussetzen von Abschiebungen steht derzeit nicht zur Diskussion", hatte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch gegenüber der APA betont.
"Österreich ist ein Rechtsstaat und hat sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention als auch die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet - und beide verbieten es jemanden abzuschieben, wenn im Herkunftsland Tod, Folter oder unmenschliche Behandlung drohen", betonte Parr vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte. Dieser völkerrechtliche Grundsatz der Nichtzurückweisung gelte für alle Menschen, hielt die Caritas-Generalsekretärin fest.
Auch der Asylexperte der Diakonie, Christoph Riedl hat in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten einen Abschiebestopp nach Afghanistan befürwortet: "Die Sicherheitslage in Afghanistan ist furchtbar und hat sich zuletzt noch einmal verschärft. Die Taliban übernehmen das Land, in Wirklichkeit tobt bereits ein Bürgerkrieg."
Menschen, die nach einer Flucht nach Afghanistan zurückkehrten, würden als Verräterinnen und Verräter gelten, man werfe ihnen Verwestlichung, unmoralisches Verhalten oder den Abfall vom Islam vor, so Riedl. Sie und ihre Familien seien Repressalien ausgesetzt. Das führe dazu, dass sie sofort wieder flüchteten: "Wer in Europa war, steht in Afghanistan vor dem Nichts." Auch Abschiebungen von straffällig Gewordenen hält Riedl für keine gangbare Lösung. Sie müssten in Österreich verurteilt werden und ihre Strafe absitzen.
Derzeit mehren sich international die Meldungen, wonach die radikalislamischen Taliban nach dem Abzug der internationalen Truppen eine komplette Rückeroberung Afghanistans forcieren. Nach der Einnahme der Provinzhauptstadt Ghazni stehen sie nur mehr 150 Kilometer vor der Hauptstadt Kabul. Ghazni ist bereits die zehnte Provinzhauptstadt, die binnen einer Woche an die Taliban fällt. Laut UNHCR sind 2,5 Millionen Menschen aus Afghanistan derzeit auf der Flucht.
Quelle: Kathpress