Hilfswerk "Kirche in Not" erinnert an dramatische Lage im Libanon
Ein Jahr nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut, die mehr als 200 Menschen das Leben kostete, macht das Hilfswerk "Kirche in Not" am Dienstag in einer Aussendung auf die dramatische humanitäre Lage im Libanon aufmerksam. Nach wie vor seien ausufernde Korruption sowie eine verfallende öffentliche Infrastruktur zu beklagen, Krankenhäuser würden durch die vielen Covid-19-Fälle vor dem Zusammenbruch stehen. Aufgrund mangelnder Zukunftsperspektiven hätten bereits viele Pflegekräfte und Ärzte das Land verlassen. Auch Lehrer an den katholischen Schulen würden vermehrt kündigen, um auszuwandern, denn ihr Gehalt reiche nicht aus, um ihre Familien zu ernähren, heißt es in der Aussendung.
Während die Politik für Mittwoch, 4. August, einen Staatstrauertag ausgerufen hat, an dem öffentliche Einrichtungen geschlossen bleiben, sei auf Seiten der Bevölkerung nicht nur Trauer, sondern auch "Wut und Enttäuschung" spürbar, so die Hilfsorganisation. "Ein Jahr nach der Katastrophe wirken die Stadtviertel wie tot: An zahlreichen Geschäften sind Eisengitter heruntergelassen, fast alle Restaurants, die hier die Straßen säumten, sind geschlossen", beschrieb "Kirche in Not" das Stadtbild in den betroffenen Vierteln von Beirut.
Derzeit lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Mittelmeerlandes unterhalb der Armutsgrenze und die Kaufkraft ist drastisch gesunken. "Während vor der Krise ein Anfangsgehalt von 1,5 Millionen Libanesischen Pfund ungefähr 1000 US-Dollar entsprach, sind es nach dem Einbruch des Libanesischen Pfunds heute nur noch 75 bis 80 US-Dollar", beschreibt Schwester Eva Abou Nassar, Leiterin einer weiterführenden Schule, die Situation. Dadurch seien selbst Dinge des täglichen Bedarfs unerschwinglich geworden. So koste beispielsweise eine Packung Kindermilch 250.000 Libanesische Pfund. Die Miete für einen Stromgenerator belaufe sich auf 600.000 Pfund und das bei einem monatlichen Mindestlohn von 675.000 Pfund. Das öffentliche Stromnetz werde nur zwei bis vier Stunden am Tag betrieben, so Schwester Abou Nassar.
"Die Menschen sind es satt, dass das politische Establishment den Kuchen unter sich aufteilt und sich nicht um die Bedürfnisse der Bevölkerung kümmert", sagt der Anwalt Wajih Raad. Auch wenn die Stimmung bedrückend sei und viele Libanesen das Land verlassen wollen, blickt Wajih Raad hoffnungsvoll in die Zukunft. "Es wird einige Jahre dauern, aber wir werden es schaffen", ist er sich sicher. Auch Pater Raymond Abdo, Provinzial der Unbeschuhten Karmeliten im Libanon, denkt positiv: "Papst Franziskus gibt uns die Hoffnung, dass wir dieser Krise trotzen können. Er ruft die Weltkirche auf, uns nicht fallen zu lassen. Der Papst wird die Kirche im Libanon nicht aufgeben. Warum sollten wir uns vor anderen fürchten, wenn wir an Jesus Christus glauben?"
"Kirche in Not" hatte bereits kurz nach der Katastrophe vor einem Jahr schnell geholfen. Schon wenige Tage nach der Explosion konnte in Zusammenarbeit mit Projektpartnern vor Ort Lebensmittelhilfe für Tausende betroffene Familien auf die Beine gestellt werden. Insgesamt stellte das Hilfswerk nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr rund 2,7 Millionen Euro für den Wiederaufbau von kirchlichen Gebäuden zur Verfügung. Mehr als 2,2 Millionen Euro wurden an Nothilfe für die Beschaffung von Transportmitteln sowie die Unterstützung des Lebensunterhalts von Ordensleuten zur Verfügung gestellt.
(Spenden an www.kircheinnot.at oder IBAN AT71 2011 1827 6701 0600)
Quelle: kathpress