Sterbehilfe: Parlaments-Website liefert Überblick zur Debatte
Eine prägnante und präzise Übersicht der wichtigsten Informationen, Argumente und Hintergründe zum Thema Sterbehilfe und der Aufhebung der Suizidbeihilfe durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bietet jetzt das österreichische Parlament auf seiner Website. In zwei Fachdossiers werden zusammengefasst und verständlich die Fragen "Warum wurde das Verbot der Beihilfe zum Suizid vom VfGH aufgehoben und wie ist Sterbehilfe in ausgewählten Staaten geregelt?" sowie auch "Wie wird in Österreich über Sterbehilfe diskutiert" beantwortet.
Die VfGH-Entscheidung vom vergangenen 11. Dezember, wonach "Hilfeleistung zum Selbstmord" gegen das Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung verstößt und das Verbot jeglicher Suizidbeihilfe per Jahresende 2021 aufgehoben ist, würde ohne Neuregelungs-Beschluss durch das Parlament zur Straffreiheit jeder Form der Beihilfe zur Selbsttötung führen, ist dem ersten Dossier zu entnehmen. Diese würde so lange bestehen, bis das Parlament eine Strafregelung vornimmt, wobei die Neuregelung aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht rückwirkend gelten dürfe.
Angesichts der zahlreichen Reaktionen auf das umstrittene Urteil beschränkt sich das Dossier auf drei Positionen aus der Rechtswissenschaft. So habe etwa die Verfassungsrechtlerin Anna Gamper kritisiert, dass der VfGH viele schwierige Fragen offengelassen und seine Standpunkte nur sehr knapp begründet habe. Der Strafrechtler Kurt Schmoller habe das VfGH-Erkenntnis auf Grundlage seiner Disziplin eine Straffreiheit im Fall des nahe bevorstehenden Todes des Suizidenten vorgeschlagen, während der Strafrechtler Alois Birklbauer die Entscheidung der Höchstrichter als "wohlüberlegten Kompromiss mit Augenmaß" bezeichnete und eine Neuregelung für nicht zwingend erforderlich halte.
Die Briefings, die vom Rechts-, Legislativ- & Wissenschaftlichen Dienst (RLW) des Parlaments erstellt wurden und um eine interdisziplinäre Sicht bemüht sind, enthalten auch einen Überblick über einschlägige Literatur, Berichterstattung, Statistiken und vertiefende Analysen. Ebenso wird auf die Regelung, die Fallzahlen und Diskussion zur Suizidbeihilfe in ausgewählten Ländern wie Deutschland, Schweiz, die Benelux-Staaten sowie der US-Bundesstaat Oregon eingegangen, sowie auf die österreichischen politischen Debatten zum Thema seit dem Jahr 2001.
Festgehalten wird in den Dossiers auch, dass sich in Österreich von Beginn an alle politischen Parteien skeptisch gegenüber der Tötung auf Verlangen im Sinn einer aktiven Sterbehilfe geäußert haben und die Debatten der vergangenen beiden Jahrzehnte lange Zeit vor allem das Angebot an Hospiz- und Palliativversorgung zum Thema hatten. Etliche Impulse seien dabei vom Nationalrat ausgegangen, u.a. mit einer Enqueten 2001, dem Österreich-Konvent von 2003 bis 2005 und einer Enquete-Kommission 2014/15. Erst in den letzten Jahren sei die Frage der Beihilfe zum Suizid in den Mittelpunkt gerückt.
Aufschlussreich und für die derzeitige Gesetzesdebatte relevant ist zudem eine Zusammenschau der gesetzlichen Mindestanforderungen in anderen Staaten hinsichtlich der Vermeidung von Missbrauch von Sterbehilfe. Zu den Sorgfaltskriterien gehören unter anderem, dass die Suizid-Entscheidung ohne äußeren Druck getroffen oder mehrfach geäußert wurde, die Zurechnungsfähigkeit des Patienten, dessen "unerträglicher", "anhaltender" oder "aussichtsloser" Zustand, eine begrenzte Lebenserwartung, ausreichende Information über seinen Gesundheitszustand oder jenen der Beihilfe leistenden Person und die Erörterung von Alternativen. Ein derzeit diskutiertes Verbot der aktiven Sterbehilfe in der Verfassung gibt es laut den Berichtserstellern zumindest europaweit noch nicht.
(Link zu den Dossiers auf der Internetseite des Parlaments: https://fachinfos.parlament.gv.at)
Quelle: kathpress