Polak: Interreligiöser Dialog ist "Lebensform, die Frieden stiftet"
Als "Lebensform, die Frieden stiftet" hat die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak den interreligiösen Dialog bezeichnet. Wobei "Friede" für Polak weit über die alltagssprachliche Verwendung des Begriffs im Deutschen - Sicherheit, Ruhe bzw. Abwesenheit von Krieg - hinausgeht. Sie verwies auf das hebräische Wort "Schalom", das erfüllte Lebensverhältnisse beinhaltet: Es gehe um Wohlergehen, Gesundheit, Freude und Glück; "aber auch um eine Welt-Ordnung, die sozial, kulturell, rechtlich und politisch lebensförderlich für alle ist und in der die Unterschiede zwischen Menschen versöhnt sind und bereichern". Polak äußerte sich im Rahmen eines Vortrags bei der "Ouverture spirituelle" in Salzburg, die heuer unter dem Generalthema "Pax" (Friede) standen.
Seit der Jahrtausendwende gewinne der interreligiöse Dialog in der Politik internationaler Organisationen wie der UNO, des Europarates und der OSZE zunehmend an Bedeutung, so Polak: "Er soll bei der Implementierung der Menschenrechte unterstützen; Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit sowie religiösen Extremismus und Terrorismus bekämpfen, Toleranz, Respekt und Solidarität fördern - und nicht zuletzt Frieden stiften."
Die Herausforderungen des Dialogs seien freilich gerade für Religionen mit ihrem Wahrheitsanspruch groß. Es gelte, den persönlichen Glauben so zu reformulieren, "dass man sich selbst und der eigenen Wahrheitserkenntnis treu bleibt und zugleich dem Anderen in seiner Andersheit gerecht wird". Es sei daher nicht verwunderlich, dass sich viele Akteure im interreligiösen Dialog auf die Gemeinsamkeiten konzentrierten und die Unterschiede ausblendeten. Nachhaltigen Frieden werde es aber nur geben, "wenn Wege gefunden werden, auch in den Unterschieden Sinn und Aufgabe zu erkennen und mit ihnen leben zu lernen". Andernfalls drohten die ausgeblendeten Unterschiede in Krisenzeiten zum Anlass für Gewalt zu werden.
Interreligiöse Dialog ist keine Idylle
Der interreligiöse Dialog sei keine Idylle, so Polak weiter. Im Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen gebe es nach wie vor zahlreiche Spannungen. Auch innerhalb der Religionsgemeinschaften seien Wesen und Ziel des interreligiösen Dialogs umstritten, auch in der Katholischen Kirche. Globaler Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Christenverfolgungen, islamistischer Terror, nationalistisch-religiöse Allianzen oder die US-amerikanische christliche Rechte stellten den interreligiösen Dialog vor massive Herausforderungen.
Viele dieser Probleme seien zudem eng verbunden mit Fragen politischer und ökonomischer Gerechtigkeit. Aber auch Erinnerungen an Zwangsmissionierungen, die Realität von Unterdrückungs-, Gewalt- und Kriegserfahrungen sowie heterogene Vorstellungen und Interessen über Wesen und Ziele des interreligiösen Dialogs belasteten diesen. Nicht zuletzt wachse in säkularen Gesellschaften der Generalverdacht gegenüber der Religion als solcher. Doch "wer den umfassenden Frieden im Blick hat, wird diesen Herausforderungen auch im interreligiösen Dialog nicht ausweichen", zeigte sich Polak zuversichtlich. Freilich brauche es dafür auch bei allen Partnern eine tiefe spirituelle Verankerung.
Die Pastoraltheologin skizzierte in ihrem Vortrag einige dafür wesentliche Aspekte. So etwa die Erfahrung, "dass Menschen dialogische Geschöpfe sind: Sie können nur im Dialog wahrhaft menschlich werden." So könne man sich selbst und den eigenen Glauben im interreligiösen Dialog besser erkennen und verstehen lernen. Ein weiterer Aspekt sei die Erfahrung der tiefen Verbundenheit der Menschen untereinander: "Menschen sind aufeinander verwiesen, ob es ihnen gefällt oder nicht. Sie benötigen einander nicht obwohl, sondern weil sie unterschiedlich sind." So benötige man auch den religiös Anderen, um den eigenen Glauben zu verstehen.
"Schmerzhaft, aber bereichernd"
Die jedem Dialog zugrundeliegende Verbundenheit der Menschen mache interreligiöse Freundschaft möglich. Diese müsse Unterschiede nicht ausblenden und könne zur stimulierenden Herausforderung werden, "manchmal schmerzhaft, aber in der Regel bereichernd". Polak plädierte für den "Verzicht auf den Versuch, Unterschieden durch Aneignung und Anpassung den Stachel zu nehmen", sowie für die Bereitschaft, "die Erfahrungen von Fremdheit, die uns der Andere zumutet, als Quelle des Lernens und der Horizonterweiterung anzunehmen".
Die Bereitschaft, vom Anderen zu lernen, betreffe nicht nur die inhaltliche Seite im Dialog, sondern beschreibe überdies eine Haltung: "Die Bereitschaft zuzuhören und die Welt mit den Augen des Anderen wahrzunehmen, seine Sprache zu lernen; den Mut, sich selbst zu überschreiten und das Eigene dem Anderen auszusetzen, die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Öffnung für Veränderung." Die grundsätzliche Anerkennung des Anderen schließe aber Konflikte nicht nur nicht aus, sondern mache sie mitunter notwendig, "denn nicht jeder Unterschied ist bereichernd oder ethisch und rechtlich akzeptabel", betonte Polak.
Fazit der Theologin: Der interreligiöse Dialog sei eine höchst anspruchsvolle Angelegenheit. "Eine Spiritualität, die solchen Dialog unterstützt, ist in unserer Gesellschaft und auch in den Kirchen noch sehr förderungswürdig."
Quelle: kathpress