IV-Präsident zu Öko-Politik: "Verbieten kann man schnell etwas"
Ein "Ja, aber" kommt vonseiten der Industriellenvereinigung (IV) in Bezug auf die zuletzt auf EU-Ebene forcierte Umweltpolitik: "Wir stimmen als österreichische Industrie den ambitionierten Klimazielen zu und sind selbst Teil der Lösung", versicherte Georg Knill, Unternehmer und IV-Präsident, im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen. Die erfolgreiche Dekarbonisierung könne nur mit der Industrie erfolgen und müsse auch die Bereiche Verkehr, Landwirtschaft und Privathaushalte umfassen. Jedoch dürfe die heimische Industrie in Bezug auf Zeitvorgaben und Besteuerung nicht überfordert werden. "Hier gibt es rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen", sagte Knill.
Die EU-Kommission präsentierte vergangene Woche ein Klimaschutzpaket, das Europa bis 2050 klimaneutral machen soll und einen Stopp von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 vorsieht. Der IV-Präsident bekannte sich grundsätzlich zu den ökologischen Zielen der Politik, die freilich die Wirtschaft umsetzen müsse. "Dazu brauchen wir entsprechende Unterstützungen." Klimaschutz sei nichts Neues für die Industrie, werde gerade hierzulande seit Jahrzehnten betrieben. Knill wörtlich: "Nirgendwo auf der Welt wird klimaschonender produziert als in Österreich. Diesen Vorsprung gilt es mitzunehmen."
In Österreich sei der CO2-Ausstoß seit 1990 deutlich zurückgegangen im Vergleich zur Wertschöpfung, der Verkehr habe deutlich zugenommen. Dennoch sei es "nicht seriös, wenn die Politik ein Datum vorgibt, zu dem der Verbrennungsmotor nicht mehr produziert werden darf", kritisierte Knill. Das hänge von vielen anderen Faktoren ab, die die Politik nur mittelbar beeinflussen könne. "Verbieten kann man schnell etwas. Aber was sind die Alternativen?"
Komplexe Fragestellungen
Wenn der für Elektro-Autos benötigte Strom nicht "grün" ist, sondern z.B. aus Atomkraftwerken stamme, dann gebe es in der CO2-Bilanz auch mit der E-Mobilität keinen Vorteil gegenüber dem Verbrennungsmotor gab der IV-Präsident zu bedenken. Knill verwies auf die Vorteile der jetzt gebräuchlichen Hybrid-Varianten, "da sind in einem Auto zwei Welten: die klassische Verbrennungs-Motorenwelt - übrigens extrem effizient, wir sind nicht mehr weit weg vom Drei-Liter-Auto - und dann noch die Elektro-Welt". Nicht ausgeblendet werden dürfe bei dem Thema, wie und mit welchen Rohstoffen Batterien hergestellt werden, wie Energie nachhaltig gespeichert wird. "Sonne scheint nicht jeden Tag, Wind bläst nicht jeden Tag." Knill ist überzeugt: "All diese Dinge können gelöst werden, nur braucht es politischen Willen und finanzielle Unterstützung."
Bei der CO2 -Steuer in Österreich sieht der Industriellen-Vertreter "rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen". Die österreichische Industrie zahle bereits für CO2-Emissionen eine Steuer über den Zertifikatehandel, eine Zusatzbelastung sei abzulehnen. Um das Stadt-Land-Gefälle nicht noch zu vergrößern, brauche es für Pendler Ausgleichsmechanismen. Auch der Umstieg weg von Ölheizungen müsse ausreichend gefördert werden. "Da muss man Sorge tragen, dass es nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft kommt."
Selbstverständlich bringe jede Innovation auch Chancen, räumte Knill ein. "Dieser Green Tech Bereich hat Potenzial, da ist Österreich mit tausenden Unternehmen schon weltweit tätig." Noch ungelöste Themen müssten technologisch, ökonomisch und sozial gelöst werden. Knill dazu abschließend: "Nochmal: Die Industrie ist mit dabei. Wir sind Teil der Lösung. Aber die Politik muss auf Fakten auch Rücksicht nehmen."
Versäumnisse bei elementarer Bildung
Der IV-Präsident nahm die Politik auch hinsichtlich Bildung in die Pflicht: "Aus meiner Sicht haben wir Versäumnisse im Elementarbildungsbereich. Wenn wir heute sehen, dass Jugendliche nach dem 9. Schuljahr nicht sinnerfassend lesen können, Grundrechnungsarten nur mangelhaft beherrschen, dann haben wir irgendetwas nicht richtig gemacht." Dies sei kein Vorwurf an die Lehrkräfte, wohl aber eine kritische Anfrage an das Bildungssystem in Summe. Knill plädierte für eine "Bildungspflicht", eine längere Schulzeit sei kein Allheilmittel. "Das ist nicht eine Frage der Dauer, sondern, welche Qualifikation man erreicht. Ob das jetzt ein Jahr länger dauert oder ein Jahr weniger, ist eigentlich irrelevant."
Idealerweise kämen in Zukunft die Fachkräfte aus "Mädchen und Burschen, die eine gute Grundschulausbildung machen, die schwerpunktmäßig in technischen Fächern und Digitalisierungskompetenzen ausgebildet werden entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten, mit einer Grundportion von Ambition und Leistungsbereitschaft". Aber: "Die Realität schaut anders aus." Wichtig wäre auch eine Berufsorientierung für jede und jeden einzelnen und zu fragen: "Was wäre für dich jetzt geeignet? ... Ist eine Lehre das Richtige oder doch eine höhere Ausbildung oder was auch immer? Aber nicht sagen: Danke, das war's, jetzt bist du selbst verantwortlich, und wir sehen uns am AMS wieder!"
Quelle: kathpress