Lackner: Lebenserfahrung der Älteren "als Ressource anzapfen"
Wenn die katholische Kirche auf Anregung von Papst Franziskus am 25. Juli erstmals einen Welttag der Großeltern und älteren Menschen begeht, geht es dabei nach den Worten des Salzburger Erzbischofs Franz Lackner nicht so sehr um einen neuen Aufbruch. Im Zentrum stehe vielmehr das Bewusstwerden und die Erinnerung: "Das waren Menschen, die haben die Welt gestaltet, die haben Kirche gelebt, die haben sich eingebracht. Die sind jetzt auf ihrer letzten Wegstrecke angelangt." Das sei, wie der Vorsitzende der Bischofskonferenz im Interview des Portals "Abenteuer Alter" hinwies, "eine große Ressource, die wir anzapfen sollten". Und es gehe auch darum zu zeigen: "Wir sind ihnen dankbar."
Würde man sich die vielen älteren Gläubigen aus der Sonntagsmesse wegdenken, wäre das "sicherlich ein großer Aderlass", sagte Lackner. "Aber dem ist - Gott sei Dank - nicht so." Alte Menschen zeichneten sich dadurch aus, dass die den Glauben nicht verlieren, ihn nicht im Stich lassen. Der Erzbischof erinnerte an jene Menschengruppen, die laut der Bibel Jesus als erste in seiner Bedeutung erkannten - zum einen sozial am Rande Stehende wie die Hirten in Bethlehem, weise Fremde aus dem Morgenland - und alte Menschen: Hannah und Simeon hätten im Tempel von Jerusalem sofort gespürt: "Da ist einer, der ist etwas Besonderes."
Dass die jüngeren Generationen viel distanzierter gegenüber Glauben und Kirche sind, ist laut Lackner "fast naturgegeben": Ein junger Mensch müsse Grenzen überschreiten, sich zum Beispiel von der eigenen Familie distanzieren und auf eigenen Füßen stehen. Von Anfang an erlebter Glaube könne ein wichtiger Wegweiser sein, "manchmal ist es aber so, dass einen der Weg wegführt". Auch bei ihm selbst habe es nach einer sehr religiösen Kindheit "im steirischen Bethlehem" St. Anna am Aigen während seiner Elektrikerlehre in Bad Radkersburg eine Phase der Distanz zur Kirche gegeben. "Auch heute gehört das bei jungen Menschen fast ein bisschen dazu, dieses Weggehen", so Lackner. Demgegenüber habe der alte Mensch "das Vorrecht, gläubig, gütig und weise zu sein".
Zugleich beschäftige die ältere Generation die Weitergabe des Glaubens, viele machten sich selbst diesbezüglich Vorwürfe: Bei Visitationen in den Pfarren drehe sich die Sorge der Menschen hauptsächlich um diese Frage, "dass es ihnen nicht gelingt, das weiterzugeben, was ihr Leben ausgemacht hat, nämlich gläubig zu sein", berichtete der Erzbischof. "Ich versuche sie dann immer mit meiner eigenen Geschichte zu trösten."
Nähe und Distanz auch beim Glauben
Lackner verglich das Glaubensleben mit einer Liebesbeziehung. Auch der Glaube vollziehe sich zwischen den "zwei Polen" Nähe und Distanz. Das Weggehen könne dafür sorgen, dass man "wieder tiefer zurückfindet". Er sei zuversichtlich, "dass der Glaube, einmal gesät, als Same wirken wird". Aber das Wie und Wann bleibe unklar. "Wir sind auf dieser Welt nicht zum Ernten geboren, wir sind zum Säen, zum Vorbereiten, zum Verkünden da. Das geht nicht ins Leere", sagte Lackner.
Eine breite volkskirchliche Präsenz wie in der Nachkriegszeit werde es wohl nicht wieder geben. Aber auch heute dürfe nicht übersehen werden, dass es große, kirchlich inspirierte Jugendbewegungen gebe - wie die Loretto-Gemeinschaft mit ihren großen Pfingsttreffen in Salzburg und erst recht die Weltjugendtage mit Millionen junger Katholiken. Schon als Jugendbischof habe er immer wieder betont: Junge Menschen bräuchten die Bildung von Allianzen. Lackner wörtlich: "Der Glaube ist, wenn man so will, koalitionsfähig: Glaube und Sport, Glaube und Kunst, Glaube und Reisen, Glaube und Soziales. Da sind die jungen Leute aktiv", hier zeigten sie Bereitschaft und Einsatz.
Auf die Frage, ob es so etwas wie eine "Mission der älteren Generation" in der Kirche bzw. im Glauben gebe und zu welchen Dingen man die Großeltern ermutigen sollte, antwortete der Salzburger Erzbischof, der am 14. Juli seinen 65 Geburtstag beging: "Ich glaube, ihre Mission ist das Alt-Sein selbst und alles, was damit verbunden ist." Wie prägend es sein könne, wenn Ältere ihre Lebenserfahrung einbringen, habe er selbst in seiner 18-jährigen Zeit im Kloster erlebt. "Das ist ein ganz wichtiger Dienst: diese Treue, einfach da zu sein. Das wird einem bewusst, wenn zum Beispiel ein alter Mensch stirbt, der immer in die Kirche gegangen ist und sein Platz plötzlich leer bleibt."
Papst: Nicht auf Großeltern "vergessen"
Papst Franziskus hatte den neuen "Welttag der Großeltern und älteren Menschen" bereits Ende Jänner ausgerufen. Er soll jährlich am vierten Sonntag im Juli begangen werden und mit dem liturgischen Gedenktag der Heiligen Anna und Joachim, der Großeltern Jesu Christi, am 25. Juli verbunden sein. Das 84-jährige Kirchenoberhaupt, das selbst längst Großvater sein könnte, begründete seine Initiative mit dem Hinweis: Oft würden die Großeltern "vergessen".
Das diesjährige Motto lautet "Ich bin mit euch alle Tage" aus dem Matthäus-Evangelium. Ziel ist es, die Nähe der katholischen Kirche zu Senioren zum Ausdruck bringen, aber auch an deren Aufgabe für die Glaubenserziehung der jungen Generation zu erinnern. Seit 1991 findet bereits auf Initiative der Vereinten Nationen alljährlich am 1. Oktober ein "Tag der älteren Generation" statt.
(Link zum Interview im Wortlaut: http://www.kath-publizisten.at/kathpub/swstatic-210524025450/swstatic-210524025450/swstatic-210411023717/swstatic-210518091317/swstatic-210518091317/swstatic-210518091317/swstatic-241115104000/images//abenteuer-alter_erzbischof.pdf)
Quelle: kathpress