Ökumenische Sommerakademie: Corona führte auf "schwankenden Boden"
Ganz im Zeichen der Corona-Pandemie und möglicher Lehren, die es aus der Krise auch kirchlicherseits zu ziehen gelte, stand die 22. Auflage der traditionsreichen "Ökumenischen Sommerakademie". Die Tagung, die sonst über drei Tage im Stift Kremsmünster stattfindet, wurde heuer pandemiebedingt in verkürzter Form digital aus der Katholischen Privatuniversität Linz (KU) übertragen. Sie stand unter dem Titel: "Corona: Lernen aus der Krise. Anfrage an die Kirchen".
Einig zeigten sich die Referentinnen und Referenten darin, dass die Kirchen nach wie vor eine Quelle sind, aus der man - insbesondere in der Krise - Kraft schöpfen könne. Sie können Wege aufzeigen, mit psychischen und emotionalen Belastungen umzugehen und Schwierigkeiten als Herausforderung zu verstehen, heißt es in einer zusammenfassenden Aussendung der KU Linz vom Freitag. "Gerade im Aushalten der Unsicherheit können Kirchen Zukunft offenhalten - indem sie das Wort Gottes als Lebensoption stark machen und in den Kirchen (er)leben lassen."
Bei der via Live-Stream übertragenen Tagung referierten und diskutierten u. a. der Wiener Wirtschafts- und Sozialgeschichte-Experte em.Prof. Josef Ehmer, die Linzer Fundamentaltheologin Prof. Isabella Guanzini, als Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRKÖ) der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej Cilerdzic, der evangelische Superintendent Gerold Lehner, der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger sowie die Superintendentialkuratorin der Evangelischen Kirche in Oberösterreich, Renate Bauinger.
Aus geschichtlichen Krisen lernen
Der emeritierte Wiener Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Josef Ehmer, zeigte in einem seuchengeschichtlichen Durchgang an den Beispielen der Pest, der Pocken, der Cholera und der Spanischen Grippe auf, wie sich Lernprozesse im Zusammenwirken von Medizin, Behörden und der Bevölkerung entwickelt haben. Die Kirchen spielten insbesondere bei der Bekämpfung der Pocken eine wichtige Rolle, insofern sie die damals Ende des 18. Jahrhunderts erstmals verfügbaren Impfungen mittrugen, so Ehmer. "Die Pockenschutzimpfungen wurden damit zum ersten Beispiel einer gesamtstaatlich organisierten erfolgreichen Präventivmedizin." Der historische Blick mache deutlich, dass es stets ein neues Ausbalancieren der Maßnahmen in Pandemien brauche; ein aktuelles Lernfeld stellten dabei etwa die enormen sozialen, psychischen und emotionalen Belastungen durch Isolation dar.
Die Theologin Isabella Guanzini zog indes aus theologischer Sicht die Bilanz, dass die Krise den Menschen und auch die Theologie bzw. die Gottesrede neu auf die Unverfügbarkeit des Lebens und dessen Fragilität verwiesen habe. Der Mensch stehe gleichsam "auf schwankendem Boden", doch gerade dort würden sich tragfähige Lernprozesse ereignen. In der Theologie gelte es, auf vorschnelle Antworten zu verzichten und weder der Versuchung zu erliegen, die Pandemie als "Strafe Gottes" zu deuten, noch an einem Beherrschbarkeits- und Unverletzbarkeitspathos festzuhalten. Es sei vielmehr die Zeit gekommen, die umfassende Fragilität des Lebens anzuerkennen und daraus neue Formen der Solidarität und auch der Liturgie zu generieren.
Für Bischof Andrej Cilerdzic, Bischof der Serbischen Orthodoxen Kirche der Diözesen Österreich, Schweiz, Italien und Malta sowie Vertreter des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich, zeigte sich in der Krise, dass die Kirchen "aus der Not eine Tugend machen" konnten, indem sie durch besondere Gottesdienstregelungen zur Eindämmung der Pandemie einen Beitrag leisteten. Dabei stützten sich die Kirchen auch untereinander in ihrer Solidarität.
Superintendent Gerold Lehner (Evangelische Kirche A.B. Oberösterreich) betonte das bewusste Voneinander-Lernen, mit dem man auch der eigenen "Blase" entkommen könne. Das so gemeinsam Erlebte gelte es auch über die Krise hinaus fruchtbar zu machen. Kritisch müsse man sich aber auch fragen, ob alte und sterbende Menschen nicht zu sehr allein gelassen worden seien.
Der Generalvikar der Diözese Linz, Severin Lederhilger, hielt fest, dass es noch zu früh sei, aus der Krise letzte Schlüsse zu ziehen; vielmehr gelte es, mit der Krise leben zu lernen. Verschiedene Felder fordern die Kirchen dabei besonders heraus: etwa die Gottesfrage und ein neues Verständnis der Verletzbarkeit des Menschen; Pastoral und Liturgie stünden durch die Krise ebenso vor neuen Herausforderungen wie die Ethik.
Renate Bauinger, Superintendentialkuratorin der Evangelischen Kirche in Oberösterreich, wies in der Diskussion insbesondere auf die prekäre Lage von Kindern und Jugendlichen hin: Diese seien ohne Raum und Stimme, alleine gelassen auch mit verzweifelten Fragen des Glaubens: "Warum liebt mich Gott nicht mehr?", habe sie ein Mädchen gefragt. Hier müsse man sensible sein, Räume schaffen und Gesprächsangebote machen.
(Hinweis: Die 22. Ökumenische Sommerakademie kann auf dem YouTube-Kanal der KU Linz abgerufen werden: https://www.youtube.com/watch?v=05_EgKMmquQ)
Quelle: kathpress