Experte: Corona machte Pilgern noch beliebter, aber kürzer
Eine Beschleunigung von Trends, die sich schon zuvor abgezeichnet haben, dürfte die Pandemie für das Pilgerwesen in Österreich gebracht haben. Da Unternehmungen in Gruppen schwieriger wurden, setzte sich auch beim Pilgern die Individualisierung fort, berichtete der Vorsitzende des Arbeitskreises Freizeit- und Tourismuspastoral Österreich und Sprecher des Netzwerks "Pilgern in Österrreich", Roland Stadler, am Freitag im Interview mit Kathpress. An Popularität eingebüßt habe das "Beten mit Füßen" trotz aller Einschränkungen nicht, im Gegenteil: "Das verstärkte Hinausgehen in Natur und Schöpfung sowie die Möglichkeit von Nachdenklichkeit und Rückzug beim Gehen entspricht genau dem, was man auch beim Pilgern sucht", so der Experte.
Wegreden könne man die Corona-Hürden nicht, räumte Stadler ein, der auch Covid-Beauftragter und Leiter der Tourismuspastoral der Diözese Gurk-Klagenfurt ist: Die für Wallfahrtsgruppen wichtigen Busse durften schließlich bis vor kurzem wegen der Abstandsregeln nur mit halb gefüllt sein und Gaststätten nur einen Bruchteil ihrer Plätze belegen. Noch drastischer habe sich ausgewirkt, dass es über Monate keine Unterkünfte in Herbergen, Pensionen und Hotels gab, was längere Wege so gut wie verunmöglichte und die Nachfrage nach kurzen Tagespilgerungen steigen ließ. Grenzüberschreitendes Pilgern sei wegen verschiedener Länderbestimmungen enorm herausfordernd, und nach Teststraßen müsse man fernab von Städten oft länger suchen.
Seinen Reiz habe das Pilgern damit aber nicht verloren. Noch mehr als bisher sei unter den heutigen Bedingungen Eigenverantwortung und -initiative vonnöten, jeder müsse angesichts vieler Alternativen und teils auch widersprüchlichen Meinungen den eigenen Weg selbst finden. "Jeder plant seinen Weg und geht ihn so, wie ihn kein anderer gehen kann", so der Theologe, der darin sogar ein Sinnbild für die Corona-Pandemie und das Zurechtkommen mit ihr sieht: Durchaus könne man nämlich das Pilgern auch verstehen als "Einübung, um meinen eigenen Weg im Umgang mit der Pandemie zu finden". "Pilgerutensil" Mund-Nasen-Schutz
Als konkreten Tipp für das Pilgern in Corona-Zeiten nannte Stadler das Mitführen einer guten Karte oder einer Landkarten-App. "Manche der insgesamt 24.000 Kilometern an Pilgerwegen wurden in den vergangenen Monaten nicht so gut instand gehalten wie sonst üblich", erklärte der Experte die Hintergründe. Es empfehle sich auch, als Kleingruppe bei anvisierten Quartieren am Weg schon ein, zwei Tage zuvor telefonisch vorzureservieren. Der Mund-Nasen-Schutz im Rucksack gehöre heute als neues "Pilgerutensil" zur Grundausstattung, um Kirchen oder Geschäfte am Weg betreten zu dürfen. Schließlich sei zudem der als "3G" bekannte Nachweis, geimpft, getestet oder genesen zu sein, auch für Pilgerherbergen unumgänglich geworden.
Insgesamt sei das längst auch als "All-inclusive"-Package erlebbare Pilgern zwar gefragter denn je, gelte aber dennoch weiterhin nur als Geheimtipp und werde von Touristikern oft übersehen. Zu Unrecht, wie Stadler meint: Die Wirtschaft profitiere schließlich enorm vom Pilgertourismus, der kein Billigsegment sei. "Ein Pilger gibt in Österreich im Schnitt 80 Euro pro Tag aus, etwa für Transfer, Nächtigung und Verpflegung am Weg. Bin ich fünf, sechs Tage unterwegs, summiert sich das schon." Nicht wirtschaftlich, jedoch immateriell könnte auch die Kirche vom Pilgern profitieren: "Wo es ihr gelingt, Menschen ins Gespräch zu bringen, Gemeinschaft zu fördern und Kirchen als Rastplätze für die Seele anzubieten, vermittelt sie ein positives und sympathisches Bild", so der Pilgerexperte.
Quelle: kathpress