Bischof Elbs hinterfragt freie Entscheidung zum Suizid
Eine "freie" Entscheidung zum Suizid kann es letztlich nicht geben. Diese auf jahrelanger Forschung basierende Überzeugung des großen Psychiaters Erwin Ringel (1921-1994) hat der Feldkircher Bischof und ausgebildete Psychotherapeut Benno Elbs in der laufenden Sterbehilfe-Debatte ins Treffen geführt. In der aktuellen Ausgabe der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (17. Juni) stellt er infrage, ob es so etwas wie ein "selbstbestimmtes Lebensende" geben könne. Ringel habe dies bestritten; seine Suizidforschung habe ihn zur Einsicht gebracht, "dass das Wort 'Freitod' ein Widerspruch in sich ist", wies Elbs hin.
Laut Ringels Theorie des "präsuizidalen Syndroms" geht jedem Suizid eine "Einengung" der menschlichen Beziehungen und Kontakte, der Wahrnehmung der Möglichkeiten in der Lebensgestaltung sowie im Erleben von Gefühlen und Emotionen voraus. Betroffene würden dadurch auf eine "Straße der Verzweiflung" geführt und sähen schlussendlich keinen anderen Ausweg mehr, als sich das Leben zu nehmen.
"Wenn man diese allgemein anerkannten Forschungen ernst nimmt, wird man auch in Bezug auf das Thema des assistierten Suizids Begriffe wie Freiheit und Selbstbestimmung nur sehr vorsichtig und zögernd in den Mund nehmen", erklärte der Bischof. Wer einmal sterbende Menschen auf ihren letzten Lebenswegen begleitet habe, "wird die angestrebte Liberalisierung, deren konkrete Gestalt von den politisch Verantwortlichen erst näher zu definieren ist, kaum nachvollziehen können".
Auch Kirche hat dazugelernt
Zur Erinnerung: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte im Dezember 2020 die Regelung gekippt, wonach Beihilfe zum Suizid strafbar ist, und die Legislative mit der Neuformulierung des entsprechenden Gesetzes bis spätestens Jahresende 2021 beauftragt. Der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, argumentierten die Richter damals. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Tötung auf Verlangen bleibt dagegen weiterhin strafbar. Dem Gesetzgeber wurde empfohlen, Maßnahmen zu treffen, um Missbrauch zu verhindern.
Wie Elbs weiter ausführte, habe die Kirche zum Thema "Selbstmord" in früheren Jahren ein sehr schwieriges Verhältnis gehabt. Grundlage dieser Haltung sei auch hier die irrige Überzeugung gewesen, dass ein Mensch, der sich das Leben nimmt, bewusst und aus freiem Willen gegen Gott als Geber des Lebens handelt. Dieser Standpunkt habe zu tief sitzenden Verletzungen geführt, die zum Teil bis heute nachwirken, bedauerte der Bischof. Er äußerte sich "dankbar, dass sich diese Überzeugung grundsätzlich gewandelt hat".
Quelle: kathpress