"Romaria": Pfarrnetzwerk Asyl fordert mehr Engagement für Flüchtlinge
"Eintreten statt ausgrenzen", "Freiheit für alle" und Bibelzitate wie "Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten": Derartige Botschaften waren am Dienstagabend auf Transparenten zu lesen, die bei der elften Romaria-Wallfahrt durch die Wiener Innenstadt getragen wurden. Rund 150 Personen waren trotz Sommerhitze dem Aufruf der im "Pfarrnetzwerk Asyl" engagierten 15 Wiener Pfarren gefolgt und beteten für Geflüchtete ihre Familien, politische Entscheidungsträger sowie für alle auf der Flucht Verstorbenen.
Mehrere Stationen entlang des vom Votivpark zur Pfarre Breitenfeld verlaufenden Solidaritätsweges beleuchteten die Themen Flucht, Asyl und Integration sowie die Situation an den EU-Außengrenzen wie etwa im Norden Bosniens, wo das Pfarrnetzwerk Asyl vor Ort lebende Familien unterstützt, die sich trotz eigener Armut für hier gestrandete Flüchtlinge engagieren. Die Wiener Sozialarbeiterin Azra Merdzan, die selbst aus der Region stammt und sich seit Jahrzehnten engagiert, berichtete, die Lage der Flüchtlinge habe sich hier seit Ende 2019 stabilisiert; dennoch lebten weiterhin viele in völlig unzureichenden Unterkünften, teils auch in den Wäldern.
Besonders auf die Risikogruppe der unbegleiteten Minderjährigen in Nordbosnien verwies Merdzan: Viele von ihnen, darunter auch Mädchen aus Somalia und Afghanistan, seien bei mitreisenden Familien untergebracht, die sich als deren Verwandte ausgeben. Teils treffe dies aber nicht zu, und immer wieder gebe es Fälle von Misshandlung und Gewalterfahrung. Abhelfen sollten hier bessere Kontrollen der Behörden sowie ein Schutzhaus, das das Pfarrnetzwerk Asyl in Kooperation mit Caritas und Kinderfreunden demnächst in Bihac errichten will. "Es gibt immer eine Lösung, die es gemeinsam zu suchen gilt. Hilfe wirkt - selbst dann, wenn sie wie ein Tropfen im Meer erscheint", so die bosnisch-stämmige Wienerin.
Lukas Gahleitner von der Asylkoordination informierte über die Situation von Geflüchteten in Österreich sowie über die Abschiebungen. Von letzteren gab es im Vorjahr trotz Corona-Reisebeschränkungen immer noch 3.569 (nach 5.357 im Jahr 2019). Die meisten Abschiebungen fänden innerhalb der EU statt, was nicht nur mit viel Aufwand verbunden, sondern auch wenig nachhaltig sei, kritisierte Gahleitner. Zugleich schiebe Österreich auch weiterhin in unsichere Länder wie Afghanistan (49) ab, sowie auch Kinder, was klar dem Kindeswohl widerspreche. Österreich setze Zeichen, um als Zielland so unattraktiv wie möglich zu wirken, "das damit verursachte konkrete Leid für die Betroffenen lässt man aber außer Acht", so der Asylexperte.
Mit Bezirksvorsteher Martin Fabisch (Grüne) war am Schlesinger Platz auch ein Politiker bei der Romaria präsent und begrüßte die Teilnehmer. Der Wiener Gemeindebezirk Josefstadt gehörte vor einem Jahr zu den ersten Bezirken in Österreich, die sich durch die Selbstbezeichnung als "Sicherer Hafen" öffentlich solidarisch mit Menschen auf der Flucht und bereit zu deren Aufnahme erklärt hatten. Auch die Jugendinitiative "Sonntagbegegnung" und die Rhythmus-Gruppe "Sabattac" beteiligten sich am Prozessionszug, an dessen Spitze der Breitenfelder Pfarrmoderator Gregor Jansen ein Kreuz trug.
Pfarrnetzwerk-Mitbegründerin Roswitha Feige rief beim abschließenden Gedenkgottesdienst für alle auf der Flucht Verstorbenen dazu auf, die Stimme für Flüchtlinge zu erheben, da diesen das Wort verwehrt und die Sprache genommen werde. "Ich darf nicht aufhören, die Geschichten derer zu erzählen, die auf dem langen Weg der Flucht scheitern; die Geschichte derer, die zurückgeschoben werden in unsichere Heimatländer, aber auch die Geschichte derer, die sich hier in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben. Es ist wichtig, dass viele davon reden, und dass wir es auch gemeinsam tun", forderte die Wiener Pastoralassistentin.
Auch an die toten Flüchtlinge gelte es zu erinnern und dadurch nicht nur sie aus einer "geschichts- und gesichtslosen Masse" herauszuheben, sondern auch ihre Familien, die oft keinen Ort der Trauer hätten, ihre Hoffnungen zerstört und ihr Vermögen auf dem Weg verloren sähen, sagte Feige. Ausgedrückt wurde dieses Gedenken bei der Romaria durch ein Gebet mit Kerzen und Glockenläuten. Bereits zuvor war aller in Schubhaft Befindlichen mit einer Schalkette rund um das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel sowie mit einer Schweigeminute und einem Vaterunser gedacht worden. (Infos: https://pfarrnetzwerkasyl.at)
Quelle: kathpress