Caritas-Generalsekretärin: Die Caritas ist weiblicher als man denkt
Die Caritas ist viel weiblicher als man denkt, die Armut in Österreich aber leider auch. Das ist die Quintessenz der neuen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig", in dem Caritas-Generalsekretärin Anna Parr zu Gast ist. Seit Herbst 2020 ist Parr als erste Frau Generalsekretärin der Caritas Österreich. Wie sie berichtet, sind aktuell bereits 75 Prozent der Führungspositionen innerhalb der Caritas von Frauen besetzt. Je weiter nach oben es geht, desto dünner wird die Luft freilich. Doch auch auf Ebene der Direktionen in den Diözesen gibt es Bewegung. Bereits seit 2010 wird die Caritas im Burgenland von einer Frau geleiten (bis vor Kurzem von Edith Pinter, nun von Melanie Balaskovics) und auch in den Diözesen Innsbruck und Graz-Seckau gibt es designierte Caritas-Direktorinnen.
Im neuen Statut der Caritas Österreich haben man sich zudem verpflichtend Gender-Ziele in den Gremien in Richtung Halbe-Halbe gesetzt. "Damit werden das Gesicht und der Blick der Caritas noch weiblicher. Und das ist gut so", betont Parr.
Auch gibt es in der Caritas wesentlich mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter. Das sei auch dem Umstand geschuldet, dass sich die Caritas im Bereich der Pflege besonders engagiert, erläutert Parr. Und sie mahnt in diesem Zusammenhang einmal mehr eine rasche und umfassende Pflegereform ein, sonst drohe ein Pflegenotstand. Wobei: "Eigentlich ist es nicht 'Fünf vor Zwölf, sondern schon 'Fünf nach Zwölf'." Bis 2030 brauche es mindestens 75.000 neue Pflegekräfte im Land, wahrscheinlich müssten es aber sogar bis zu 100.000 sein, so Parr. Diesen Bedarf könne man nur mit einer umfassenden Ausbildungsoffensive und vielen weiteren begleitenden Maßnahmen schaffen. Sie wolle auch für den Pflegeberuf werden, ein vielfältiges und attraktives Berufsfeld, so Parr.
Frauenarmut im Fokus
Unbedingt nötig sei zudem engagierte Maßnahmen zur Bekämpfung der Frauenarmut. Während bei den Männern in Österreich 12 Prozent armutsgefährdet bzw. von Armut betroffen sind, sind es bei den Frauen 14 Prozent. Das habe vielfältige Gründe und sei durch die Pandemie noch verstärkt worden, so Parr. Vielen Frauen seien in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder Teilzeit beschäftigt. Die Arbeitslosigkeit sei in der Pandemie bei Frauen um etwa 40 Prozent gestiegen, bei Männern "nur" um rund 25 Prozent. Die Einkommensverluste führten bei vielen zumindest zu armutsgefährdenden Situationen. Viele hätten auch wegen der zusätzlichen Belastungen durch die Kinderbetreuung in der Pandemie ihre Stunden reduzieren müssen. Selbiges sei auch der Fall, wenn Frauen zu Hause Angehörige pflegen. Allerdings gebe es auch das Gegenteil, dass vor allem Alleinerzieherinnen versucht hätten, mehr zu arbeiten, um über die Runden zu kommen, da Unterhaltszahlungen ausblieben.
Die Caritas habe österreichweit 56 Sozialberatungsstellen, wo Menschen in sozialen und in finanziellen Notlagen unterstützt werden, "und da waren sehr, sehr viele Frauen darunter, die unsere Hilfe und Unterstützung gebraucht haben", berichtet die Generalsekretärin. Erwerbstätigkeit sei das beste Mittel, um Armut und vor allem auch Altersarmut zu bekämpfen. Dazu brauche es freilich noch wesentlich mehr Kinderbetreuungsangebote und mehr arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente.
Und Parr ergänzt: "Es geht auch um das Rollenbild der Frau. Es geht darum, ob wirklich nur Frauen in bestimmten Berufen arbeiten. Es geht darum auch, dass Männer ihre Verantwortung in der Familie wahrnehmen, Väterkarenz vielleicht noch verstärkter in Anspruch nehmen. Und letztlich geht es darum, dass frau wie man in einer Familie denselben Anteil an Aufgaben für die Kinder übernimmt."
Pakt gegen Kinderarmut
Das Hilfsangebot der Caritas ist vielfältig. Die Caritas betreibt beispielsweise auch neun Mutter-Kind Häuser, "wo wir 130 Müttern und ihren Kindern ein Dach über dem Kopf bieten, ein sicheres Umfeld schaffen und ihnen helfen, mit verschiedenen Angeboten wieder den Schritt in ein selbstständiges Leben zu schaffen."
Weiters betreibt die Caritas 460 Kindergärten bzw. Kinderbetreuungseinrichtungen, wo wir auf fast 20.000 Kinder betreuen. Dazu kommen österreichweit 54 Lerncafes. - Und damit ist Anna Parr auch schon beim Thema Kinderarmut angekommen: "Wir haben in Österreich 291.000 Kinder und Jugendliche bis 17, die in einer Familie leben, die von Armut betroffen oder zumindest armutsgefährdet ist." Umso notwendiger sei ein "Pakt gegen Kinderarmut", bekräftigt die Caritas-Generalsekretärin eine ihrer zentralen Forderungen. Jedes Kind sollte ohne materielle Not aufwachsen können und Bildungsmöglichkeiten erhalten , die ihm später ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Ebenso gelte es, auf die psychische und physische Gesundheit der Kinder besonders zu achten.
100 Jahre Caritas
Die Caritas feiert dieser Tage ihr 100-jähriges Bestehen in Österreich. Groß gefeiert wird das Jubiläum angesichts der schwierigen Situation für so viele Menschen im Land nicht, betont Anna Parr. Umso mehr wünscht sie sich aber zum Geburtstag noch mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt und Solidarität, nicht nur in Österreich, sondern weltweit.
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, ist selig", ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts, auf Spotify und auf YouTube (https://www.youtube.com/channel/UCwJ-QjJFPX4EGRuHBHsIJJQ/featured) abrufbar.
Quelle: kathpress