Landau: "Die Caritas ist nicht das gute Gewissen des Landes"
"Die Caritas ist weder rot noch blau, türkis, grün, pink, schwarz. Das Evangelium ist kein Parteiprogramm. Wir stehen nicht an der Seite einer politischen Partei, sondern an der Seite jener, die unsere Hilfe brauchen." - Das hat Caritas-Präsident Michael Landau im Interview mit der "Kleinen Zeitung" (Dienstag) betont und damit auch Vorwürfe zurückgewiesen, die Caritas mische sich politisch zu sehr ein. Das Evangelium sei ein Auftrag zur Veränderung, so Landau. Nachsatz: "Das geschieht leise, abseits der großen Bühnen." In manchen Fällen könne es aber bedeuten, "unbequem zu sein und daran zu erinnern, dass Politik kein Selbstzweck ist".
Schon das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe sinngemäß formuliert: "Man darf nicht als Liebesgabe anbieten, was der Gerechtigkeit geschuldet ist. Man muss Ursachen bekämpfen, nicht Symptome", erinnerte der Caritas-Präsident. Die Kirche dürfe zudem nicht schweigen, "wo Menschen durch Menschen Unrecht geschieht", so Landau weiter unter Verweis auf Kardinal Franz König.
Die Caritas feiert am Donnerstag mit einem Festgottesdienst im Stephansdom ihr 100-Jahr-Jubiläum in Österreich. Die Caritas verstehe sich nicht als "das gute Gewissen der Republik", sondern als eine "Stimme der Vernunft und Zuversicht", so Landau: "Wir sind Teil einer starken Zivilgesellschaft. Der Platz der Kirche muss an der Seite der Schwächsten sein. Die Erfahrung der 100 Jahre sagt uns: Wir können gemeinsam etwas zum Guten verändern, es kommt auf jeden Einzelnen an."
Es gebe in Österreich einen guten Grundwasserspiegel der Solidarität und Nächstenliebe. Das haben man jetzt auch in der Pandemie gesehen. Trotzdem: "100 Jahre Caritas ist kein Jahr zum Feiern, weil uns Corona auf Trab hält. Die Gesundheitskrise ist für viele Menschen zur sozialen Krise geworden. Zu viele sind gestorben, zu viele haben ihren Job verloren. Meine Erfahrung in 25 Jahre Führungsfunktion ist: Unser Tun und Lassen macht einen Unterschied. Österreich kann Krise, die Caritas kann Krise." Wenn er sich etwas zum Geburtstag wünschen dürfe, dann Folgendes, so Landau: "Wir sollten den Mut und die Zuversicht stärken und nicht in den Jammermodus fallen. Nur so kommen wir weiter."
Jeder ist gefordert
Er warne davor, so der Caritas-Präsident weiter, alle Probleme und Herausforderungen an den Staat abschieben zu wollen und verdeutlichte dies mit der zunehmenden Vereinsamung vieler Menschen: "Wenn Einsamkeit eine der großen Nöte unserer Zeit ist, dann wünschen wir uns einen Pakt gegen die Einsamkeit. Da ist jeder Einzelne gefordert."
Zur Frage, ob der aktuellen Regierung in der Flüchtlingsfrage das soziale Gewissen fehle, meinte Landau wörtlich: "Jede Regierung ist gefordert. In meiner Rolle als Caritas-Europapräsident bin ich überzeugt, dass es keine italienische, spanische, österreichische Einzellösung gibt, sondern nur eine europäische. Wir müssen noch viel mehr bei den Ursachen ansetzen. Solange Krieg herrscht, werden sich Menschen auf den Weg machen. Auch die Klimakrise wird dazu beitragen."
Auf die im Frühjahr bekannt gewordenen ÖVP-Ideen zu einer möglichen steuerliche Schlechterstellung der Kirche angesprochen, betonte Landau: "Das betrifft ja nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die israelitische Glaubensgemeinschaft oder die evangelischen Freunde. Es gibt ein gemeinsames Rechtsfundament, alle wäre davon betroffen." Die Republik könne über alles nachdenken, die Debatte sollte aber nicht verkürzt geführt werden.
Der Kirche Geld zu streichen, würde freilich die Steuerzahler treffen, so Landau: "Bei den kirchlichen Schulen ist es so, dass der Staat die Lehrer zahlt, die Kirche für das andere Personal, die Instandhaltung aufkommt. Das Privileg der Religionsgemeinschaften besteht darin, dass sie einen Teil der Kosten tragen." Der Rechnungshof habe zudem festgehalten, "dass die Ordensspitäler effizienter, billiger geführt werden". Wenn der Bund also meine, dies solle künftig die öffentliche Hand machen, "wird es teurer für den Steuerzahler".
Geburtstagsgottesdienst im Stephansdom
Jubiläumsgottesdienst am Donnerstag um 14 Uhr werden Kardinal Christoph Schönborn, Caritas-Bischof Benno Elbs und Caritas-Präsident Michael Landau vorstehen; weiters auch die Bischöfe Hermann Glettler, Josef Marketz, Alois Schwarz, Franz Scharl sowie der frühere Caritas-Präsident Helmut Schüller. Caritas-Delegationen aus allen Diözesen - mit den jeweiligen Direktorinnen und Direktoren an der Spitze - kommen nach Wien und werden den Gottesdienst ebenfalls aktiv mitgestalten. Auch die Politik und Wirtschaft sind im Stephansdom prominent vertreten. Der Gottesdienst ist aufgrund der Pandemie-Vorgaben nicht öffentlich zugänglich, er wird aber via Radio Klassik Stephansdom bzw. im Livestream (https://www.youtube.com/watch?v=mFxTVjMXnu4) übertragen.
Quelle: kathpress