Theologe: Als Kirche auf Pandemie-Erfahrungen Seelsorgender bauen
Die Corona-Pandemie prägt auch die Seelsorge. Dass es immer noch mehr Fragen als Antworten dazu gibt, steht für Johann Pock, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, außer Diskussion. Es gelte, die richtigen Fragen - etwa nach Lerneffekten - zu stellen, so der Wiener Pastoraltheologe beim jüngsten Studientag "Konsequenzen aus Corona" im Linzer Priesterseminar. Pock baut dabei auf die Erfahrungen der in der Seelsorge tätigen kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Pandemie sei nicht nur Brennglas für sozio-ökonomische Probleme, sondern auch für das, was gut funktioniere, so Pock. Die Kirche habe auf kreative Weise gelernt, neue Angebote zu entwickeln. Es gelte, in den Diözesen voneinander zu lernen. Mitarbeitende im pastoralen Dienst der Diözese Linz etwa wollten hybride Gottesdienst- und Gebetsmodelle, Videoimpulse und Feiern im Freien beibehalten.
Besonders spürbar sei die Krise im Bereich des Ehrenamts geworden, wie Pock weiter ausführte: Persönliche Begegnung wie Besuche in Pflegeheimen, Gruppenstunden oder Pfarrcafes waren plötzlich nicht mehr erlaubt. Hier brauche es Veränderungen und kreative Lösungen, um Menschen in solch krisenhaften Zeiten weiterhin begleiten zu können.
Das Fehlen gemeinschaftlichen Lebens sei jedoch weitgehend nicht öffentlich sichtbar geworden. Anders sei das etwa bei der Arbeit der Priester bei Gottesdienst-Übertragungen gewesen. Für Pock ist das "eine Frage der Macht und des Machtverlustes". Dass die Kirche gegenüber der Gesellschaft schon länger an Macht verloren habe, sah er am Beispiel der ausgesetzten und wieder eingeführten "Sonntagspflicht" bestätigt. Die Kirche nehme - selbstkritisch analysiert - an, eine Macht zu haben, die in dieser Form nicht mehr gegeben sei. Die Pandemie habe die Ohnmacht der Kirchen noch einmal deutlicher zutage geführt.
Digitalisierung als Chance
Gott könne man auch im Digitalen entdecken, so der Pastoraltheologe weiter. In Diskursen via Social Media "entwickelt sich Kirche neu", in einer Weise, wie sie vorher nicht bekannt gewesen sei, sagte Pock, der sich selbst als "Lernender" bezeichnete: "Das sind Chancen, die man nützen sollte, in dem man sich aktiv einbringt." Es gehe darum, beides zu schaffen: Präsenz in den Kirchen und ein Kirche-sein in diesen digitalen Welten.
Viele Erfahrungen der Linzer Hauptamtlichen deckten sich mit den Ergebnissen der ökumenischen "Contoc"-Studie aus dem deutschen Sprachraum, in der es um die "Kirchen online in Zeiten von Corona" geht (www.contoc.org). Eine Erfahrung, die "sehr nachdenklich gestimmt" habe, sei das defacto Aussetzen der öffentlichen Gottesdienste im ersten Lockdown gewesen. Damals seien Virologinnen und Pandemieforscher in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Seelsorge ist Kernkompetenz der Kirche
Seelsorge habe damit zu tun, aufmerksam zu werden, wo Menschen Hilfe brauchen, betonte Pock. Das habe etwa bei der Nachbarschaftshilfe im ersten Lockdown unabhängig der Religionszugehörigkeit funktioniert. Seelsorge sieht er überhaupt als "Kernkompetenz" der Kirche. Wobei es die Förderung der Kompetenz aller Christinnen und Christen brauche, selbst Seelsorgerinnen und Seelsorger zu sein, da ein Hingehen in der Pandemie oft schwer möglich sei. Behelfe seien Unterstützung, aber ersetzen nicht die vernetzende Arbeit der Seelsorgenden. Die Gottesdienst- und Pfarrgemeinschaft fehle auch jenen Menschen, die nicht in Gemeinschaften leben. Einsamkeit sei bis dato ein großes Thema. Deshalb seien diakonische Arbeit und Solidarität wesentlich in der Pandemie, ebenso die Hoffnung, dass einen etwas durch diese Zeit trage.
Haupt- und Ehrenamtliche haben Onlinekonferenzen nützen gelernt, um in Kontakt zu bleiben. Für die Liturgie seien Grenzen und Traditionen aufgebrochen, neue Formate wie Wege mit Stationen umgesetzt worden. Für Erstkommunion- und Firmvorbereitung brauchte es neue Konzepte. Einige dieser Ideen wolle man mitnehmen in die Zeit nach der Covid-19-Pandemie. Was sich als "Hauskirche" entwickelt habe, sei heute so vielfältig wie die Gemeinde. Die drängende Frage sei, wie Pluralität und Einendes verbunden werden können.
Unter www.theocare.wordpress.com bloggen Mitarbeitende des Instituts für Praktische Theologie der Universität Wien über Entwicklungen aus praktisch-theologischer, religionspädagogischer und bildungswissenschaftlicher Perspektive. Das Ziel: Die Corona-Krise soll zu einem "Lernort für eine bessere Zukunft in Kirche, Gesellschaft und Bildung" werden.
Quelle: kathpress