Schönborn für "Religionsatlas" statt "Islam-Landkarte"
Kardinal Christoph Schönborn mahnt in der Debatte um die umstrittene "Islam-Landkarte" einen "ehrlichen, transparenten Dialog zwischen Politik und Religionen" ein und schlägt einen Altas aller anerkannten Kirchen und Religionen in Österreich vor. Gleichzeitig warnt der Wiener Erzbischof in seiner Kolumne in der "Heute"-Zeitung am Freitag davor, wenn - wie mit der "Islam-Landkarte" - eine Religion "herausgepickt" werde. "Ich halte es für gefährlich, wenn der Eindruck entsteht, eine der Religionsgemeinschaften wird unter Generalverdacht gestellt. Das ist wohl auch nicht die Absicht der Politik", schreibt der Kardinal und verweist darauf, dass es strafrechtliche Möglichkeiten gibt, um "staatsfeindliche, terroristische Tendenzen" zu verfolgen.
Das Strafrecht sei klar genug, um gegen gefährliche Aktivitäten in radikalen Kreisen ob in der Politik oder in der Religion vorzugehen. "Dass es solche Radikale gibt, ist kein Grund, die Politik oder die Religion als Brutstätten des Radikalismus zu betrachten", hält der Kardinal fest und verweist gleichzeitig darauf, dass Österreich ein "ausgezeichnetes Religionsrecht" habe. "Staat und Religionen sind getrennt, haben aber eine ausgewogene Zusammenarbeit. Der vorbildliche Religionsfrieden in unserem Land basiert auf gegenseitigem Vertrauen, auf Dialog und Wertschätzung." Von daher gebe es auch einen "Ausweg aus der verfahrenen Situation: Ich wünsche mir einen ehrlichen, transparenten Dialog zwischen Politik und Religionen in unserem Land. Es geht um unsere gemeinsame Zukunft."
Hintergrund für die Wortmeldung des Kardinals sind die Ereignisse rund um die von der staatlichen "Dokumentationsstelle Politischer Islam" vor einer Woche im Internet veröffentlichen Landkarte mit muslimischen Organisationen und Kultusgemeinden in Österreich. Über 600 derartige Einrichtungen sind darin erfasst und beschrieben. Zahlreiche Stimmen aus Politik, Kirchen, Religionen und Gesellschaft haben seither Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projekts oder offene Kritik geäußert.
"Warnschilder" in der Nähe von islamischen Einrichtungen hatten am Mittwoch für weiteres Aufsehen gesorgt. Diese trugen die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe." und verwiesen auf die Landkarte. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), die für die "Dokumentationsstelle Politischer Islam" zuständig ist, verurteilte die Aktion. Die Islamische Glaubensgemeinschaft sah sich in ihrer Kritik an der Landkarte bestätigt.
Muslime nicht unter Generalverdacht stellen
Im Ö1-Mittagsjournal am Freitag bekräftigte Kardinal Schönborn seine Bedenken gegenüber der umstrittenen Islam-Landkarte und erneuerte seinen Vorschlag für einen Religionsatlas. Wörtlich sagte der Kardinal: "Es gibt Probleme, ja. Aber das, wogegen ich mich wehre und wehren muss, ist, das nicht 700.000 Menschen, unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, unter einen Generalverdacht gestellt werden." Er sei überzeugt, dass das nicht die Absicht der Regierung und der Behörden sei, aber, so warnte Schönborn: "Klimatisch kann es in diese Richtung gehen."
Ein Religionsatlas für Österreich sei nicht diskriminierend und grundsätzlich sei gegen eine solche Karte nichts einzuwenden. Aber: "Sie darf nicht in Verbindung gebracht werden mit einem Generalverdacht in Zusammenhang mit der Bekämpfung von terroristischen Tendenzen, die nun einmal tatsächlich festzustellen sind." Eine ganze Religionsgemeinschaft dürfe damit nicht identifiziert werden, mahnte Schönborn.
Quelle: Kathpress