"Islam-Landkarte" derzeit vom Netz: Kritik hält an
Die so genannte "Islam-Landkarte" ist aktuell nur eingeschränkt verfügbar. Der islamische Religionspädagoge Prof. Ednan Aslan (Universität Wien) begründet dies am Donnerstag in seiner Funktion als Projekt-Betreiber gegenüber der APA mit einem Wechsel des IT-Betreibers. Dies bedeute, dass vermutlich bis kommende Woche die Suchfunktion nicht genützt werden kann. Angaben von Mouhanad Khorchide, dem Leiter des Beirats der von der Regierung eingerichteten "Dokumentationsstelle politischer Islam", wonach zur Nutzung künftig eine Registrierung notwendig sein wird, dementierte Aslan laut APA.
Offline genommen werde die Karte jedenfalls nicht: "Wir lassen unsere wissenschaftliche Arbeit weder durch rechtsextreme Vereinnahmung noch durch islamistische Drohungen zunichte machen", betonte Aslan. Sobald die IT-Änderungen vorgenommen worden seien, würde das Projekt wieder online gehen. Zuletzt hatte der islamische Theologe Bedauern darüber geäußert, "dass es in den letzten Tagen vermehrt zu politischer Instrumentalisierung gekommen ist und dass mittlerweile auch verschiedenste Rechtsextremisten den Zweck dieses Projektes völlig konterkarieren".
"Warnschilder" in der Nähe von islamischen Einrichtungen hatten am Mittwoch für Aufsehen gesorgt. Diese trugen die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe." und verwiesen auf die Landkarte. Hinter der Aktion werden die Identitären vermutet. Integrationsministerin Susanne Raab verurteilte die Aktion, die Islamische Glaubensgemeinschaft sah sich in ihrer Kritik an der Landkarte bestätigt.
Aus Sicht des Rechtsextremismus-Experten Andreas Peham von Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) war es "unbedingt absehbar", dass die Karte von Rechtsextremen instrumentalisiert werde. "Davor wurde ja bereits unmittelbar nach der Publikation gewarnt", sagt Peham dem "Standard".
Seit die Dokumentationsstelle politischer Islam vor einer Woche eine Landkarte mit mehr als 600 muslimischen Organisationen und Kultusgemeinden in Österreich vorgelegt hatte, mehrten sich kritische Stimmen aus dem In- und auch Ausland. Zuletzt äußerten auch die katholischen Theologen Markus Ladstätter , Geschäftsführender Vorsitzender der Kommission Weltreligionen der Österreichischen Bischofskonferenz, und Regina Polak, OSZE-Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, Vorbehalte gegenüber dem Projekt der Integrationsministerin.
Kritik auch von jüdischer Seite
"In einer Zeit, in der viele Umfragen bestätigen, dass die antimuslimische Stimmung in Österreich und in ganz Europa zunimmt", stigmatisiere die Landkarte alle in Österreich lebenden Muslime als potenzielles Sicherheitsrisiko, erklärte am Donnerstag der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt. Er kritisierte insbesondere, dass die Karte auch interreligiöse Organisationen wie den Muslim Jewish Leadership Council, dessen Co-Vorsitzender Goldschmidt ist, mit einschließe. "Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, ihre Verpflichtungen zur Achtung der Rechte auf Vereinigungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit einzuhalten", so der Rabbiner.
Der Schweizer Soziologe Marc Helbling, neuer Hans-Blumenberg-Gastprofessor am Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Universität Münster, mahnte zu einer differenzierteren Sicht auf den Islam in Österreich und Europa. Der Einfluss des politischen Islam dürfe sicher nicht unterschätzt werden, sagte der Integrationsforscher im Deutschlandfunk. "Studien zeigen immer wieder, dass es viele Muslime gibt, die fundamentalistische Überzeugungen haben." Weil es aber auch sehr viele gemäßigte Gläubige gebe, müsse man "sehr vorsichtig sein, wie man an die Öffentlichkeit tritt", so Helbling. Die spärlichen Informationen zu den in der Karte aufgeführten muslimischen Moscheen und Vereinen sowie die Tatsache, dass die Wiener Dokumentationsstelle Politischer Islam als Herausgeber fungiere, berge die Gefahr, moderate und fundamentalistische Einrichtungen zu vermengen.
Quelle: Kathpress