Lackner: Fronleichnam ist mehrfacher Appell an heutige Zeit
Verantwortung für vergangene "Unheilsgeschichte" übernehmen, mit Rücksicht auf kommende Generationen leben, das Leben in all seinen Phasen schützen und für die "unaufdringliche" Präsenz Gottes offen sein - diese vier zu den vier Stationen einer Fronleichnamsprozession passenden Aufforderungen hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Donnerstag an die Gläubigen im Salzburger Dom gerichtet. Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz leitete den Gottesdienst am Fronleichnamstag, an dem u.a. auch Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf, der Salzburger Bürgermeister Harald Preuner und Generalvikar Roland Rasser teilnahmen.
Erzbischof Lackner erinnerte in seiner Predigt an die mittelalterlichen "Initienprozessionen", die das Vorbild für die heutigen Fronleichnamsprozessionen bildeten. Bei diesen noch nicht regelmäßigen Umgängen wurden an verschiedenen Stationen die Anfänge - von Lat. "initium", Anfang - der Evangelien gelesen. Heute werden entsprechend den vier Evangelien vier Altäre auf dem Prozessionsweg aufgestellt, wo dann jeweils eine Bibelstelle gelesen wird und Stadt und Land gesegnet werden, erklärte Lackner. Diese vier Einstiege in die Evangelien beinhalten nach seinen Worten auch für heute höchst relevante Botschaften.
"Erlösung für alle!"
Der Stammbaum Jesu steht im Mittelpunkt des am ersten Altar verlesenen Anfangs des Matthäus-Evangeliums. In dieser Auflistung seien "Namen enthalten, die würden wir lieber verschweigen", weil sie außer für Heils- auch für Unheilsgeschichte stünden, wie der Erzbischof sagte. Die Liturgie tue das aber nicht, der Stammbaum Jesu sei gedeutete Menschheitsgeschichte und letztlich Zuspruch einer "Erlösung für alle!".
Auch Kirche, Erzdiözese oder Land seien stets von beiden geprägt: Heil und Unheil, wie Lackner erläuterte. "Dennoch gilt: Herkunft schafft Zukunft. Herkunft bedeutet jedoch auch Verantwortung und Bereitschaft, sich zu entschuldigen für Fehler der Vergangenheit." Der Blickwinkel darauf sei oft zeitbedingt: Nicht selten sei ein heute als empörender Fehler empfundener Umstand auch zu seiner Zeit als solcher erkannt worden. Dass es eine Institution gibt, die sich wie die katholische Kirche für 2000 Jahre Geschichte anklagen lässt, ist nach den Worten Lackners "auch ein Dienst an der Gerechtigkeit heute".
Wie Johannes auf Nachkommende achten
Am zweiten Altar richte sich der Blick mit dem Anfang des Markusevangeliums auf Johannes den Täufer. Dessen Gewissheit - "Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich" - sollte laut Lackner ermutigen, dass auch heutige Zeitgenossen achtsame Vorläufer für kommende Generationen sind: "Hierher gehören Begriffe wie Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit, gleiches Recht für alle und anderes mehr." Der Erzbischof bat zu berücksichtigen, ob nach uns Lebende mit Dankbarkeit oder aber mit Verwunderung auf heute zurückblicken.
Rücksichtnahme lege auch der dritte Altar mit den Kindheitsgeschichten Jesu am Beginn des Lukasevangeliums nahe. "Das Kind steht für alles, was Schutz und ungeteilte Zuwendung braucht", hielt Lackner fest. Wesentliche Bereiche menschlicher Existenz wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit hätten "allesamt kindlichen Charakter" und entzögen sich jedem Expertentum. "Ein ganz besonders des Schutzes bedürftiges Kind unserer Zeit ist wohl das Leben selbst", das laut Lackner gerade an den Brennpunkten wie Anfang und Ende nicht ausreichend geschützt werde.
Ohne Glaube schwacher Lebensschutz
Für den Erzbischof steht fest, dass diese Schwäche einhergeht mit einem schwächelnden Glauben, der heute ins Private abgedrängt werde. Lackner wörtlich: "Ohne institutionellen Schutz einer Kirche und Verankerung in eine der Menschenwürde dienende Gesetzlichkeit wird Glaube letztlich der Willkür preisgegeben."
Der Prolog des Johannesevangeliums am vierten Altar zeige einen Gott, der "Fleisch" wurde und "unter uns gewohnt" hat - "so unaufdringlich, so einfach mit den Menschen". Auf dieselbe Weise sei Gott "gegenwärtig im täglichen Brot, das wir niemanden verwehren sollen, besonders aber im Eucharistischen Brot".
Erzbischof Lackner erinnerte in seiner Predigt auch jenen alten jüdischen Brauch, in Zeiten ernster Gefahr wie etwa tödlicher Epidemien die Thora durch die Straßen der vom Untergang bedrohten Stadt zu tragen, "damit die Plage ende". Nach fast eineinhalbjähriger Pandemie gebe es Hoffnung und Bemühen, dass auch diese Not bald weiche. "In dieser Intention gehen wir heute auf die Straße und beten für die Gesundheit der Menschen", sagte Lackner.
Der Salzburger Erzbischof steht heuer gleich zweimal einer Fronleichnamsfeier vor: Das erste feierte er mit den Gläubigen am Donnerstag im Salzburger Dom mit anschließender verkürzter Prozession rund um die Bischofskirche. Am Samstagabend leitet der Träger des Ehrentitels "Primas Germaniae" im Vatikan die traditionelle Fronleichnamsfeier in der Kirche des Campo Santo Teutonico neben dem Petersdom. Weil Fronleichnam in Italien kein staatlicher Feiertag ist, werden die meisten Messen zu dem Hochfest erst am darauffolgenden Wochenende gefeiert.
Die meisten Prozessionen entfielen
Am Fronleichnamstag sind in Österreich heuer auch Prozessionen möglich, es gelten dabei dieselben Präventionsmaßnahmen wie bei Gottesdiensten; dies beinhaltet etwa das verpflichtende Tragen von FFP2-Masken sowie das Einhalten eines Abstands von zwei Metern zwischen haushaltsfremden Personen auch im Freien. Das macht besonders festliche Prozessionen mit vielen Teilnehmern nur schwer möglich. In der Mehrzahl der Pfarren entfallen deshalb die Prozessionen oder sie finden nur in stark gekürzter und schlichter Form statt.
Im Wiener Stephansdom stand Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstagvormittag dem feierlichen Hochamt vor. Nach einer anschließenden Andacht spendete er den eucharistischen Segen über die Stadt. Der traditionelle Stadtumgang entfiel diesmal.
Quelle: Kathpress